Orkantief RUZICA: Wie gut war die Vorhersage?

"Wo war denn der Sturm?" - Fragen sich viele enttäuschte Karnevals-Jecken. Eine Bilanz und ein paar Worte zu Unwetterwarnungen

"Wo war denn der Sturm?" - Bilder von leeren Innenstädten und allein gelassenen Zuschauertribünen aus Mainz, Düsseldorf und anderen Städten machen derzeit die Runde durch verschiedene Fernsehprogramme, während in Köln zeitweise sogar bei Sonnenschein "Kamelle" geworfen wurden. Über die Notwendigkeit der Umzugs-Absagen wird heute kontrovers diskutiert. Wurde also zu viel gewarnt? Wir meinen, das Problem liegt woanders.

Enttäuschte Gesichter nach abgesagten Umzügen

Viele enttäuschte Gesichter gab es dabei vor allem aus den vielen Städten im Westen Deutschlands, in denen aufgrund der Sturmwarnungen die Karnevalsumzüge abgesagt wurden. So traten zum Beispiel am Düsseldorfer Flughafen bis zum Nachmittag allenfalls stürmische Böen mit Windspitzen bis 67 km/h auf - allenfalls dazu geeignet, um kleinere Ästen von Bäumen zu knicken. Im Gegenteil: Nach einem teils nassen Morgen und Vormittag zeigte sich tagsüber vorübergehend sogar die Sonne bei zwar böigem, aber nicht dramatischem Wind. Grund genug für einige spöttische Bemerkungen und Bilder in den sozialen Netzwerken. Schnell wurden Stimmen laut, dass die Unwetterwarnungen der Meteorologen übertrieben seien. Wir können dabei nur für uns selbst sprechen und schauen uns an, was wirklich kommuniziert wurde und was eingetreten ist.

Wurde zu viel gewarnt?

Was also wurde gewarnt? Dazu muss man wissen, dass eine konkrete Unwetterwarnung erst kurz vor dem erwarteten Unwetterereignis ausgesprochen wird. Ein bis zwei Tage vorher spricht unsere Unwetterzentrale Vorwarnungen (gelb) aus. Das bedeutet: Ein Unwetter kann eintreten, der genaue Ablauf ist allerdings noch zu unsicher, um eine konkrete Unwetterwarnung für die entsprechende Region auszusprechen.

So wurde einige Tage im Voraus für den Rosenmontag vor der Möglichkeit von Sturmböen, vereinzelt auch schweren Sturmböen oder gar orkanartigen Böen gewarnt. Da die Geschwindigkeit und genaue Zugbahn des Tiefs RUZICA noch nicht genau feststanden, war es hier also zunächst nur sinnvoll, das mögliche Potenzial des Orkantiefs anzugeben, nicht aber genaue zeitliche Abläufe zu definieren. Erst mit Näherrücken an den Rosenmontag war es dann möglich und auch erst sinnvoll, den Ablauf des Wetters und der damit verbundenen Windspitzen anzugeben. Konkret fand dies an dieser Stelle am vergangenen Samstag, dem 06.02.2016 in unseren News Sturmupdate zum Rosenmontag statt. Zitat:

"Schauen wir aber auch mal auf den zeitlichen Ablauf, derzeit berechnen die Modelle einen Höhepunkt am Morgen sowie am späten Nachmittag/Abend, dazwischen könnte sich der Wind etwas abschwächen. Das wäre eine gute Nachricht für die Veranstalter, denn die meisten Umzüge finden zwischen 10 und 15 Uhr statt."

Bis zum Sonntag wurde dann mehr und mehr klar, dass die Höhenwinde kräftig genug waren, um im Fall kräftiger Schauer und Gewitter auch Windspitzen zwischen 90 und 110 km/h zuzulassen. Dies entspricht Böen der Windstärken 10 und 11 oder ausgesprochen "schweren Sturmböen" und "orkanartigen Böen" (auf den Seiten der Unwetterzentrale sind die Windstärken und deren Bezeichnungen genau erklärt). Entsprechend wurden auch die Warnungen der Unwetterzentrale Rosenmontag formuliert, wie sie in der Abbildung am Beispiel für Paderborn zu sehen ist. Tatsächlich traten dann auch die höchsten Windgeschwindigkeiten in tiefen Lagen im Zusammenhang mit Gewittern auf, und zwar in Büren-Ahden mit 106 km/h und in Völklingen im Saarland mit 107 km/h.

Insgesamt hatten wir es also mit zwei Phasen der Windmaxima zu tun: Zum einen der Durchzug der Kaltfront am Morgen und eine (stärkere) am Nachmittag. Dort kam es häufiger zu Sturmböen der Stärke 9, gelegentlich, vor allem im Umfeld aufgetretener Schauer und Gewitter zu schweren Sturmböen der Stärke 10 um 90 km/h, vereinzelt und räumlich eng begrenzt aber auch zu orkanartigen Böen über 104, genauer bis 107 km/h. Der Höhenwind blies in dieser Zeit beständig stark über unseren Köpfen, wie folgendes Video vom Brocken, der höchsten Erhebung des Harzes, am früheren Rosenmontag zeigt:

Vergleicht man nun die tatsächlich aufgetretenen Werte mit ihrem zeitlichen Auftreten mit den ausgesprochenen Warnungen, so kann man sehr zufrieden sein – die Windspitzen wurden sehr genau vorhergesagt. Wieso entsteht aber trotzdem der Eindruck des „Überwarnens“?

„Wo war denn der Sturm?“

Wieso steht man nun also in Mainz oder Düsseldorf bei zeitweiligem Sonnenschein, ohne dass ein Zug stattgefunden hat und vermisst nun die „schweren Sturmböen“? Dieses hat viel mit der Vorhersagbarkeit von Schauern und Gewittern zu tun. Die höchsten Windgeschwindigkeiten im Flachland konnten dabei nur dann auftreten, wenn ein Schauer oder Gewitter kräftig genug ist, um weit in die Höhe zu wachsen und dort, auch im Zusammenhang mit den kräftigen Niederschlägen, die entsprechenden Windgeschwindigkeiten von dort oben „abzuholen“.

Das Potenzial für derartige Schauer war dabei für die gesamte Warnregion vorhanden, entsprechende Graupelgewitter konnten allerdings nur räumlich sehr eng begrenzte Einzelfälle sein – etwa vergleichbar mit einem mit Wasser gefüllten Kochtopf, der auf einer Herdplatte erhitzt wird: Theoretisch könnte an jedem beliebigen Punkt beim Sieden die erste Luftblase aufsteigen, tatsächlich geschieht dies aber nur an einem Ort. Und dieser ist im Voraus nicht vorhersagbar.

Ähnlich sieht es auch bei Warnungen in Zusammenhang mit Schauern oder Gewittern aus. Diese hätten theoretisch an vielen Orten im Westen Deutschlands auftreten können – tatsächlich sind aber nur vereinzelte entstanden, die dann auch den unerwünschten Nebeneffekt orkanartiger Böen hatten. Daher sind Warnungen auch für die gesamte Region gerechtfertigt, treffen aber nur auf Einzelpersonen zu. Hier ist es wichtig auf die Details im Warntext zu achten. Ist dort „örtlich“ oder „lokal“ oder „räumlich eng begrenzt“ oder „in Schauernähe“ erwähnt, so werden also wahrscheinlich viele Menschen vor dem möglichen Unwetter gewarnt, erleben wird es aber nur ein geringer Prozentsatz. Andererseits ist die Gefahr zu groß, um sie für die gesamte betreffende Region nicht zu erwähnen.

Dazu ein anderes Bild: Man befand sich gestern unter einem Höhenwind, der teils mit Orkanstärke in gut 1 km Höhe über die Köpfe hinweg gefegt ist. Gleichzeitig konnten örtlich(!) kräftige Schauer oder Gewitter entstehen. Die Gefahrenlage ist in etwa vergleichbar damit, dass viele Menschen unter einem Dach hergehen sollen, das einsturzgefährdet ist. Wenn man von dieser Einsturzgefahr weiß, so wird man sicherlich alle Menschen vor der Lebensgefahr warnen, auch wenn sicherlich der Großteil unbeschadet unter diesem hergehen können wird.

Nächste Sturmgefahr durch SUSANNA

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu dem nächsten Orkantief, das zwar kleinräumig ist, aber durchaus eine ähnliche Sturmgefahr in sich birgt wie RUZICA. Wie auf den Abbildungen zu sehen ist, zieht dieses kräftige Tief mit seinem Zentrum über dem Nordwesten Deutschlands in Richtung Ostsee. Dabei sind zunächst im Südwesten, bis in die kommende Nacht hinein dann nach Norden verlagernd schwere Sturmböen, teils auch orkanartige Böen möglich, begleitet von zeitweilig kräftigem Regen. Es heißt also auch heute wieder die Warnungen unserer Unwetterzentrale, zum Beispiel per AlertsPro App, zu verfolgen.