Ist das jetzt die Schafskälte?

Die Frühaufsteher konnten sich heute nicht des Eindrucks erwehren, dass die Temperatur wenig sommerlich war - aber ist das (schon) die Schafskälte?

Obwohl der Kalender schon Anfang Juni zeigt, war es heute früh gebietsweise wenig sommerlich mit einstelligen Tiefstwerten. Die Überlegung liegt nahe, dass wir es derzeit mit der Schafskälte zu tun haben. Oder doch nicht?

Wie kalt oder warm ist es denn - und was wäre normal?

Vor dem Eintreffen der Niederschlagsgebiete von Tief INGRABAN stieg die Temperatur gestern in der Lausitz mancherorts bis auf 28°C - wahrlich sommerliche Höchstwerte. Dagegen kamen einige Wetterstationen im Allgäu sowie in der Eifel nicht einmal über 15°C hinaus.

In der Nacht zu heute lag die Tiefsttemperatur zwischen 13 Grad in Nordfriesland, 7 Grad in einigen Orten Bayerns und 4 Grad auf der Schwäbischen Alb. Damit war es im Nordwesten sogar bis zu 3 Grad wärmer als normal. Im Südosten allerdings lagen die Tiefstwerte meist 2 bis 5 Grad unter dem, was für die Jahreszeit zu erwarten wäre.

Am heutigen Mittwoch werden im Breisgau und an der Oder immerhin rund 20°C erwartet, während man sich gebietsweise in Süddeutschland und im Nordseeumfeld mit weniger als 15°C begnügen muss. Die eingeflossene kühle Luft führt dazu, dass die Höchsttemperatur praktisch deutschlandweit unter dem langjährigen Klimamittel liegt. In Vorpommern ist es etwa 1 Grad zu kühl, entlang des Rheins beträgt die negative Abweichung rund 2 Grad, und von Bayern bis nach Schleswig-Holstein ist es 5 Grad kühler als normal.

Morgen erwärmt sich die Luft durch von Süden her zunehmenden Einfluss des ZALIA wieder, so dass am Oberrhein, in der Südpfalz, im Saarland und in der Kölner Bucht hier und da ein Sommertag mit 25°C oder etwas mehr erreicht wird. Im Norden wird es zwar nicht so warm, aber mit 16°C auf Sylt, 19°C auf Usedom bis 22°C im südlichen Emsland doch wieder angenehmer als zuvor.

Und was ist mit der Schafskälte?

Häufig kommt es vor, dass Anfang / Mitte Juni mit Zufuhr von Luft aus nördlichen Breiten eine kühle Witterungsphase auftritt, die Schafe, die schon geschoren wurden, entsprechend frieren lässt. Je nach Quelle werden unterschiedliche Zeiträume für das bevorzugte Auftreten der Schafskälte genannt, und auch für den Höhepunkt gibt es verschiedene Angaben, mal der 11. Juni, mal der 15. Juni.

Bei Bauernregeln oder sogenannten Singularitäten wie der Schafskälte, den Eisheiligen oder dem Siebenschläfer sollte statt eines einzelnen Tages besser die Zeit rund um diesen Termin beachtet werden, wenn man die Theorie mit der Praxis vergleichen möchte. Wichtig ist auch der räumliche und zeitliche Maßstab: Ist es nur an einzelnen Tagen (zu) kalt, oder liegt die Temperatur eine Woche oder länger unter dem Durchschnitt? Treten zu warme oder zu kalte Phasen nur örtlich oder verbreitet auf? So liegt die Antwort auf die Frage, ob denn in einem Jahr zum Beispiel die Schafskälte ausgeprägt und pünktlich auftritt, immer auch in der Interpretation der zugehörigen Regel.

Für den weiteren Temperaturverlauf in Deutschland lässt sich sagen, dass dank des Wechsels zwischen (Zwischen-) Hochs und Tiefs mal eher (zu) warme Luft angezapft wird, mal eher (zu) kühle Luft herangeführt wird - eine mehr oder wenig deutlich zu kühle Witterung über mehrere Tage in einem größeren Gebiet lässt sich aber momentan nicht feststellen.

Dass Regeln wie die der Schafskälte besser etwas breiter interpretiert werden, zeigt das Beispiel des diesjährigen 11. Juni: Nach derzeitigen Berechnungen liegt die Höchsttemperatur an diesem Sonntag an der unteren Oder 2 Grad über dem Klimamittelwert; am Hochrhein ist es dann 9 Grad zu warm.

Am Beispiel von Berlin lässt sich erkennen, dass es zwar kurzfristige Schwankungen der Temperatur gibt (Freitag und Montag sind wohl die wärmsten Tage mit jeweils 27°C, dazwischen am Samstag 23°C, Dienstag 21°C), mittelfristig deuten sich Höchstwerte leicht über 20°C an, was ungefähr normal oder allenfalls leicht zu kühl ist.