Ost-Europa: Sommer im Winter

Gegensätzliche Extreme gibt es derzeit in Europa. In Spanien wird gefroren, in Osteuropa ist es teils sommerlich warm:

Während die Temperaturen in Deutschland mit Höchstwerten zwischen 1 Grad im Nordosten und 8 Grad im Südwesten heute eher im Bereich jahreszeitlicher Normalwerte liegen, ist die Temperaturverteilung europaweit gesehen doch sehr ungewöhnlich: Während es in Richtung Spanien und Portugal gestern teils deutlich zu kalt war, war es über Osteuropa teils sommerlich warm, auf Kreta beinahe 30 Grad! Was geht dort vor sich?

Ungewöhnliche Temperaturverteilung

Viel zu kaltes Westeuropa, viel zu warmes Osteuropa

Die Betrachtung der Höchsttemperaturen in Europa am gestrigen Montag sowie auch die Tiefstwerte in der Nacht zum heutigen Dienstag verdient besondere Beachtung. Sollte jemand derzeit Urlaub in der Türkei, in Griechenland oder an der Goldküste am Schwarzen Meer machen, dürfte er sich über den unerwartet vorgezogenen Sommerurlaub freuen. Denn vielerorts im Südosten Europas, allen voran von Griechenland, der Westtürkei bis über weite Teilen der Balkanhalbinsel, gab es mehrere Orte, an denen es zu einem offiziellen "Sommertag" kam mit einer Höchsttemperatur von oder über 25,0 Grad:

HöchsttemperaturNameLand
28.2Heraklion/IntlGRC
27.8Souda/Crete IntlGRC
26.7LamiaGRC
25.5KrusevacSRB
25.5CuprijaSRB
25.3TiranaALB
25.2Bari-Palese MacchieITA
25.2KragujevacSRB
25.0KucovaALB
25.0Tirana-La PrakaALB

 

Auf Kreta wurden an privaten Wetterstationen sogar bis zu 29 Grad gemessen! Gleichzeitig gab es Frankreich verbreitet einstellige Höchstwerte, nur an der Mittelmeerküste waren die Maxima am Montag spürbar über der 10-Grad-Marke. Auch auf Mallorca war es mit Höchstwerten von 12 bis 14 Grad eher frisch. Vergleicht man nun die Temperatur der Luftmassen in ca. 1,5 km Höhe mit den langjährigen Normalwerten, so fallen die deutlichen Abweichungen noch mehr auf.  Sie schwanken von teils 10 Grad und mehr unter den Klimawerten über Frankreich und Spanien, sogar bis in den Nordwesten Afrikas und deutlich über 10, teils 17 Grad über den Normalwerten auf dem Balkan. 

Und auch in den kommenden Tagen wird diese Aufteilung, wenn auch in leicht abgeschwächter Form, noch weiter Bestand haben, sodass man im östlichen Mittelmeerraum und am westlichen Schwarzen Meer entspannt im T-Shirt nach draußen setzen kann. 

Wie kommt es zu der ungewöhnlichen Temperaturverteilung?

Das Nebeneinander von zu kalten und zu warmen Regionen lässt immer auf eine große Meridionalität des Jetstreams schließen. Ein Jetstream ist ein Starkwindband, das von West nach Ost um den Globus zieht. Der starke Wind in großer Höhe ist dabei ein Ausgleichswind an den verschiedenen Luftmassen. So weht der Polarjet an der Grenze zwischen Luftmassen polarer und subtropischer Herkunft. Bei typischen Westwetterlagen weht dabei der Polarjet meist straff mit nur kleinen Auslenkungen von West nach Ost über uns hinweg. Man kann ihn sich als Autobahn vorstellen, über den die Bodentiefs ziehen. Dabei herrschen recht durchschnittliche Temperaturverhältnisse in Europa mit der Kaltluft im Norden und der wärmeren Luft im Süden.

Ist die Westdrift allerdings geschwächt, dann beginnt der Polarjet zu schlingern und macht große Auslenkungen nach Norden (Höhenkeil) und nach Süden (Höhentrog). In dem Keil kann dann subtropische Luft sehr weit nach Norden gelangen und stromabwärts polare Luft sehr weit nach Süden. Und schon gibt es das Nebeneinander von zu kalten und zu warmen Regionen. Die Tiefs ziehen nun nicht mehr straff von West nach Ost, sondern entstehen immer wieder im entsprechenden Trog und können dort für längere Zeit zum Beispiel nasskaltes und unbeständiges Wetter bringen, während im Keil für längere Zeit Hochdruckeinfluss und damit ruhiges und ungewöhnlich mildes Wetter herrschen kann. 

Konkret ist im aktuellen Fall die polare Luft auf den Rückseiten der Tiefs ULRIKA (über Westrussland) und VIRGINIE (über Italien) zur Ruhe gekommen im Bereich von Hoch FRIEDHELM über der Nordsee, der als "verlängerter Arm" des kräftigen Azorenhochs angesehen werden kann. Auf der Vorderseite des Italientiefs VIRGINIE dagegen ist afrikanische Warmluft über das östliche Mittelmeer nach Norden in Richtung Westtürkei, Griechenland und Balkan transportiert worden, während auf der Rückseite die Kaltluft mit nördlicher Strömung über das westliche Mittelmeer bis nach Nordwestafrika gelangen konnte. Dieser Prozess ist auch gut im Strömungsfilm zu sehen:

Wie man anhand der Ensembleprognosen sieht, nähert sich die Temperatur nach jetzigem Stand nur allmählich wieder den Normalwerten an - in Westeuropa von unten, in Osteuropa von oben her. Mehr dazu in unserem Reisewetter Europa.