Besondere Windsysteme im Mittelmeerraum

Von Bora bis Schirokko – Im Mittelmeerraum kann der Wind bei bestimmten Wetterlagen hohe Geschwindigkeiten erreichen. Besonders Phänomene:

Unsere Reise beginnt an der Straße von Gibraltar, nachfolgend bewegen wir uns im Uhrzeigersinn entlang der Mittelmeerküste und gehen kurz auf die wichtigsten und bekanntesten Windsysteme ein, bevor die Rundreise wieder an der Meerenge zwischen Spanien und Marokko endet.

(a) Poniente: Das ist der Westwind an der Küste Südspaniens und Nordmarokkos. Es ist meistens ein leichter Wind, der an Spaniens Ostküste etwas wärmer als am Golf von Cadiz ist, weil er sich beim Überqueren des Festlandes erhitzt. Der Poniente weht unterschiedlich stark. Es gibt Jahre, wo auch andere Winde in dieser Region vorherrschen. Teils wird der westliche Wind an der Meerenge von Gibraltar auch als Vendavel oder Vendevale bezeichnet. Als Gegenstück kann man sich den östlichen Wind namens Levante vorstellen, dieser weht etwa alle zwei bis drei Wochen mit einer Dauer von drei bis fünf Tagen.

(b) Mistral: Der Mistral ist ein recht bekannter Wind, welcher vor allem für die Bewohner im unteren Rhônetal zum Alltag dazu gehört. Er kommt im Südwesten Frankreichs (ausgenommen die Französische Riviera), auf Korsika und Sardinien vor. Wenn beispielsweise ein Tief über Nordfrankreich weiter nach Norddeutschland oder zur Ostsee zieht und sich zeitgleich ein Hoch vom Atlantik der Biskaya nähert, stellt sich immer mal wieder die typische Mistral-Wetterlage ein. Diese bringt der Region hervorragende Fernsicht und einen fast wolkenlosen Himmel mit linsenförmigen Wolken (Lenticularis), die man auch bei Föhn in den Alpen sehen kann. Außerdem wird es deutlich kühler, weil Polarluft aus Norden einfließt. Die Kanalisierung zwischen Alpen und Cevennen trägt dazu bei, dass hohe Windgeschwindigkeiten gemessen werden können, mitunter kann in Böen Orkanstärke erreicht werden. Dieser trockene Wind kann über mehrere Tage, in Ausnahmefällen sogar Wochen andauern. Unzählige Bäume der Region haben sich diesem Umstand angepasst und sind nach Süden hin gebogen.

(c) Libeccio: Dies ist ein Wind aus West bis Südwest mit heißer Luft und Staub aus der Sahara im Norden von Korsika, der besonders im Sommer weht. Die sehr starken Böen können hohen Seegang verursachen. Im Winter ändert sich die Windrichtung auf Nordost bis Nord und heißt dann Tramontana.

(d) Tramontana: Der nördliche bis nordwestliche und kalte Wind im Mittelmeerraum von Nordspanien bis Kroatien heißt Tramontana. Im Winterhalbjahr kommt es bei starker Ausprägung zu markanten und schnellen Temperaturstürzen. Wenn es dazu noch bewölkt ist, gesellt sich zu den starken Windböen auch Regen.

(e) Bora: Die Bora ist einer der stärksten Winde, die es auf der Welt gibt. Im Mittel erreicht sie Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke von circa 120 km/h. Die stärksten Böen haben eine Geschwindigkeit bis zu 250 km/h. Es ist ein trockener und kalter Fallwind zwischen Triest und der montenegrinischen Küste. Der Wind ist kalt, weil die Luft polaren Ursprungs ist. Die Bora weht vorwiegend im Winter, wo es wochenlang ununterbrochen stürmen kann. Trotz der Erwärmung hinter dem Dinarischen Gebirge wird der Wind als kalt empfunden, weil das Gebirge nicht hoch genug ist, um die Luft weiter zu erwärmen. Des Weiteren wird die relativ warme Mittelmeerluft von der kühleren Luftmasse aus Nord bis Nordost verdrängt. Alles in allem sind sich die Bora und der Föhn ähnlich in Entstehung und Auftreten. Nur dass der eine (Bora) ein kalter und der andere ein warmer Fallwind (Föhn) ist.

(f) Meltemi: Dieser Wind wird auch Etesien genannt. Das ist der nördliche Sommerwind in der Ägäis von April bis Oktober, der als kühl empfunden wird und damit die sommerliche Hitze etwas erträglicher werden lässt. Er bläst hauptsächlich im Sommer, weil der Meltemi ein Teil des Nordostpassats ist. Zu dieser Zeit liegt die Innertropische Konvergenzzone (ITC) besonders weit nördlich. Verstärkt wird der Wind zusätzlich durch die großflächige Wetterlage. Anfangs des Sommerhalbjahres gibt es Druckunterschiede zwischen dem Azorenhoch und dem Monsuntief über dem Südwesten Asiens. Dadurch stellt sich über dem Ägäischen Meer diese Nordströmung ein. Durchschnittlich weht der Meltemi mit Windstärke 4 bis 5, an manchen Tagen erreicht er Sturmstärke. Für erfahrene Surfer ist das ein Paradies.

(g) Schirokko: Er wird je nach Region auch Samum, Ghibli oder Chili genannt. Im südlichen und südöstlichen Mittelmeerraum wird so ein Wüstenwind genannt. Dieser Wind transportiert heiße und mit Staub versetzte Luft aus der Sahara nach Norden in Richtung Mittelmeer. Es kann so viel Sand und Staub dabei sein, dass die Sichtweite unter einem Kilometer liegt. Verbunden mit den hohen Windgeschwindigkeiten kann sich in extremen Fällen sogar ein Sandsturm entwickeln. Grundlage für die Entstehung ist ein Temperaturunterschied zwischen kühlen Tiefs im Süden Europas und der heißen Saharaluft. Je größer die Differenz, desto kräftiger ist der Schirokko. Auf dem Weg über das Mittelmeer kommt es zur Aufnahme von Feuchtigkeit, die sich manchmal in Südeuropa abregnet. Am häufigsten weht dieser Wind aus Süd bis Südost von Frühjahr bis Herbst.