Tornado in Bützow und Umgebung

Über die Stadt Bützow bei Rostock ist am gestrigen Abend ein Tornado mit verheerenden Folgen hinweg gezogen. Hier Videos und Infos, auch über weitere Unwetter gestern:

Die Kleinstadt Bützow im Landkreis Rostock in Mecklenburg-Vorpommern wurde am Mittwoch von einem Tornado erheblich beschädigt. Etliche Häuser sind unbewohnbar, Autos wurden durch die Luft gewirbelt und landeten auf den Dächern, Dutzende Einwohner wurden leicht verletzt. Tornados in Deutschland - wie ungewöhnlich ist das?

Bützow am Morgen nach dem Tornado

Die Einwohner von Bützow sind am Mittwochmorgen mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Einige Straßenzüge der Kleinstadt südlich von Rostock gleichen einem Kriegsschauplatz, sie sind übersät mit Dachziegeltrümmern und anderen Überresten, die der Tornado gestern Abend kurz vor 19 Uhr durch die Luft gewirbelt hatte:


Tornado in Bützow am 05.05.2015

Ein Eindruck der auftretenden Kräfte gibt das folgende Augenzeugenvideo wider, das direkt aus dem Bereich der Rotation der Windhose aufgenommen wurde - sich dort aufzuhalten war sehr gefährlich! Immerhin kam es nach jetzigem Stand durch den Tornado "nur" zu etwa 30 leicht Verletzten.


Augenzeugen-Video aus dem Nahbereich des Tornados

Weitere Meldungen von Tornados

Aber nicht nur aus Bützow, auch aus anderen Orten in der Nähe gibt es Meldungen von Schäden, die auf Tornados zurückzuführen sein könnten. So führt die europäische Unwetterdatenbank ESWD insgesamt 4 Meldungen aus der Region, neben Bützow aus Kreien, Groß Laasch und Rampe. Aus Groß Laasch sieht man etwa im Internet Fotos von einem völlig zerstörten Bahngebäude. Es liegt nahe zu vermuten, dass dabei Tornados derselben Gewitterzelle an mehreren Orten zu den Schäden geführt haben können.

Wie stark war der Bützow-Tornado? Die Stärke eines Tornados richtet sich nach den Windgeschwindigkeiten. Da diese aber wegen der Kurzlebigkeit und Kleinräumigkeit faktisch nicht messbar sind, schätzt man die Stärke anhand der Schäden im Nachhinein ab. In Mitteleuropa geschieht dies anhand der Fujita-Skala, die ab F0 beginnt. Der höchste, in der Natur beobachtete Wert ist ein F5-Tornado. Der Tornadofall Bützow wird derzeit auf F3 geschätzt, ein "starker Tornado" mit Windgeschwindigkeiten zwischen 256 und 334 km/h.

Tornados auch in Deutschland?

Manch einen wird es verwundern, dass auch in Deutschland Tornados auftreten. Oft werden Tornado-Meldungen aus unserer Region in der Presse fälschlicherweise als "Mini-Tornado" oder "Mini-Wirbelsturm" bezeichnet. Diese Bezeichnungen sind allerdings unwissenschaftlich und irreführend, denn tatsächlich sind diese Tornados nichts anderes als das, was wir auch aus den USA kennen - der in Deutschland früher noch häufiger benutzte Ausdruck hierfür ist "Windhose", aber auch das ist nichts anderes als ein Synonym.

Tornados kommen in Deutschland viel häufiger vor, als die meisten erwarten dürften. Grob geschätzt und gemittelt ziehen pro Jahr etwa 30 bis 60 Tornados über Deutschland hinweg - mit großen Schwankungen von Jahr zu Jahr. Meist halten diese sich jedoch in der Stärke F0 bis F1 auf, ziehen auch oft nur über unbewohnte Flächen, weswegen viele von ihnen nicht einmal bemerkt werden. 

Ein F3-Tornado, wie er wahrscheinlich nun in Bützow und Umgebung aufgetreten ist, ist in Deutschland allerdings eher selten, kommt hierzulande aber immerhin etwa ein Mal alle zwei Jahre vor. Prominente jüngere Beispiele sind der Micheln-Tornado aus Sachsen-Anhalt sowie der F3-Tornado aus Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen, beide im Jahr 2004 aufgetreten. Der letzte bekannte Tornado, der zumindest kurzzeitig die Stärke F3 erreicht haben könnte, trat Pfingstmontag, den 24.05.2010 zwischen Mühlberg in Brandenburg und Großenhain in Sachsen auf. Bislang gibt es in der Historie in Deutschland nur zwei Tornados, die in die höchste Kategorie F5 eingestuft wurden, und diese Ereignisse liegen lange zurück: zum einen vom 29.06.1764 aus Woldegk im heutigen Mecklenburg-Vorpommern sowie am 23.04.1800 rund um Hainichen in Sachsen.

Zur Entstehung der Tornados

Auf die Details der Tornadoentstehung einzugehen, wäre an dieser Stelle viel zu kompliziert und würde den Rahmen der News sprengen. Auch, wenn man die meisten Mechanismen verstanden hat, so sind im Detail in der Tornado-Forschung immer noch Lücken. Für uns ist wichtig zu wissen, dass es gewisse Hauptzutaten für diese starken Tornados brauchte:

Zum einen muss die Energie für Unwetter vorhanden sein. Diese war am Dienstag in Form von beinahe schwül-warmer Luft durchaus spürbar, wobei ein Teil aus der fühlbaren Wärme, der andere aus dem Wasserdampf bezogen wird. Doch diese Energie muss sich auch in der Atmosphäre entfalten können, und dies geschieht durch Aufsteigen der Luft in die Höhe. Dieses funktioniert am leichtesten bei einer labilen Luftschichtung, welche durch kältere Höhenluft ebenfalls gegeben war und der entsprechenden Aufwärtskomponente des Windes im Umfeld der Kaltfront, der Hebung. Die für die Tornadoentstehung mit wichtigste Zutat ist die Windscherung. Das bedeutet, der Wind nimmt mit der Höhe stark zu und weht aus einer anderen Richtung. Nur so kann der Aufwindbereich in Rotation geraten und bestenfalls ein Großteil der Energie auf einen kleinen Bereich konzentriert werden. 

All diese Zutaten waren im Nordosten Deutschlands am Dienstagabend in nahezu perfekter Form gleichzeitig vorhanden: feucht-warme Luft auf der Vorderseite westeuropäischer Tiefs, die labile Luftschichtung und die Windscherung kamen dann an der so genannten Kaltfront hinzu, mit der die feucht-warme Luft von Westen her abgedrängt wurde. 

Und heute? Auch, wenn unsere Unwetterzentrale vor Sturmböen im Westen Deutschlands warnt, sind Tornados bei der heutigen Wetterlage ausgeschlossen. Weder die Windscherung noch die Energie der Luftmasse reichen hierfür aus.