Aktuell: Mistral, Tramontana und Bora

Die Druckkonstellation ist günstig für die stärksten Windsysteme am Mittelmeer. Mistral, Tramontana und Bora bringen aktuell Windspitzen bis 150 km/h, auch 200 km/h sind möglich:

Windsurfer, Seefahrer und alle Anwohner der Mittelmeerküste werden sie kennen, die plötzlich auftretenden und teils extremen Stürme. Inbesondere an der östlichen Adriaküste ist die Bora gefürchtet. Sie gilt als das kräftigste Windsystem der Welt, nicht selten mit Windspitzen über 200 km/h. Auch heute sind derartige Windspitzen möglich. Wir geben heute einen kleinen Überblick:

Orkanböen an der französischen Küste

Ziemlich stürmisch war dabei bereits am gestrigen Mittwoch in den betroffenen Regionen nahe der Mittelmeerküste sowie an der Mittelmeerküste selbst. Am Golf von Lyon zum einen sowie rund um Marseille weiter nördlich zum anderen wehte dabei über Stunden ein starker bis stürmischer nördlicher Wind mit 50 bis 80 km/h.

Wer einmal bei derartigen Geschwindigkeiten seinen Kopf aus dem Autofenster gestreckt hat, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie unangenehm sich derartige Windgeschwindigkeiten anfühlen, wenn man sie über Stunden hinweg erfahren muss. Die Böen lagen dabei gar im Orkanbereich, Cape Bear am Mittelmeer nahe der spanischen Grenze meldete am Donnerstagmorgen eine Orkanböe von 148 km/h, das französische Arles an der Riviera immerhin noch 119 km/h.

Über Mistral und Tramontana

Bei den oben genannten Regionen haben wir es mit zwei Windsystemen zu tun, denen der gleiche Entstehungsmechanismus zugrunde liegt. Eigentlich ist es nur die geographische Lage und die Ausdehnung, die die unterschiedliche Namensgebung begründet.

Mit der Tramontana wird neben Südfrankreich auch im benachbarten Südspanien, in Italien und teils in Kroatien ein als kalt empfundener, unangenehm böiger Wind bezeichnet. Er ist auf eine recht kleine Region beschränkt. Im westlichen Mittelmeerraum tritt er zwischen Montpellier in Frankreich und der Bucht von Rasas in Spanien auf. 

Ihr bekannterer großer Bruder ist der Mistral. Der Mistral ist ebenso ein als kalt empfundener, teils über Stunden kräftiger und sehr böiger nördlicher Wind, der vom Rhône-Tal bei Marseille zum Mittelmeer hin weht. Teils kann er über Tage hinweg seinen Einfluss mit Orkanböen bis in südliche Mittelmeer-Regionen ausüben:

Mistral und Tramontana entstehen, wenn Luft polaren Ursprungs bei der richtigen nördlichen Windrichtung zwischen etwa Alpen und Zentralmassiv bzw. Zentralmassiv und Pyrenäen hindurch "gequetscht" wird. Durch diese Drängung kommt es zu einer deutlichen Windzunahme, man spricht auch von einem Kanalisationseffekt. Man könnte auch sagen, es handelt sich hierbei um eine Art Stromschnelle, nur dass hier anstatt Wasser die Luft beschleunigt wird. 

Die typische Wetterkonstellation für den Mistral ist ein Hoch mit Zentrum über der Bretagne und einem Tief über Italien. Genau diese Konstellation ist derzeit mit Hoch "Karin" und Tief "Anton" gegeben. Kennzeichnend für den Mistral ist ein oft wolkenloser, blauer Himmel und sehr trockener Luft, wodurch in vielen Fällen auch die Waldbrandgefahr erhöht ist.

Bora kann über 200 km/h bringen

Etwas anders sind die Entstehungsbedingungen von Bora-Winden. Die bekannteste Bora tritt an der östlichen Adriaküste auf, am bekanntesten ist sie an der kroatischen und montenegrinischen Küste, ist aber auch weiter nördlich bis in den Golf von Triest gefährlich. Auch andere Windsysteme auf der Welt können als Bora klassifiziert werden.

Der Bora ist mit Mistral und Tramontana gemein, dass es sich hier um einen kalt empfundenen Fallwind handelt, der beständig über einen längeren Zeitraum wehen kann. Anders als bei den anderen Windsystemen muss aber die Bora über ein Gebirge "schwappen", um dann über die Täler Richtung Adria zu stürzen, dieses ist im Fall der bekanntesten Bora das Dinarische Gebirge. Durch die Fallbeschleunigung und die Kanalisation in den Tälern sind dabei extreme Windgeschwindigkeiten möglich, Windspitzen über 200, vereinzelt bis 250 km/h kommen dabei gelegentlich vor. Zweite Eigenschaft der Bora ist, dass sie insbesondere im Winter über Tage oder gar Wochen hinweg wehen kann.

Kennzeichnend ist ein plötzlicher Temperaturanstieg zu Beginn der Bora, gefolgt von einem umso radikaleren Abfall. Denn der Sturm entsteht dann, wenn sich sehr kalte Luft, die von den Karsttälern Kroatiens durch die Täler der Karstgebirge in Richtung Adria hinunterstürzt. Durch die Nord-Süd-Orientierung des Dinarischen Gebirges wird hierfür eine ausreichende östliche Windkomponente benötigt, damit dies passiert; die Bora weht an der Adria immer aus Ost bis Nordost. 

Um abzuschätzen, ob eine Bora entstehen kann, ermitteln man die Druckdifferenz zwischen Maribor in Slowenien und Triest in Italien. Liegt der Luftdruck in Triest um mehr als 4 hPa niedriger als in Maribor, so kann sich die dinarische Bora einstellen. Grob gesagt weht sie umso stärker, je größer diese Druckdifferenz ist, ab einem Unterschied von 8 hPa wird sie meist stürmisch. Am heutigen Donnerstag liegt die maximale Differenz bei etwa 10 hPa. Man kann das Boradiagramm immer stundenaktuell auf den Seiten unserer italienischen Unwetterzentrale ansehen.

Die am höchsten aufgelösten Modelle prognostizieren für den heutigen Donnerstag immerhin lokale Windspitzen im Orkanbereich über 180 km/h. Dennoch sind auch durch lokale Effekte Windspitzen um 200 km/h heute durchaus im Bereich des Möglichen. Hier ein Eindruck einer Winterbora aus dem kroatischen Senj:


Sehr starke Bora bei Senj mit über 200 km/h am 07.02.2012