Schneesturm am Schwarzen Meer

Wer dem teils nasskalten Wetter hierzulande in Richtung Griechenland oder Türkei zu entfliehen versucht hat, wird sich teils im tiefen Schnee wiederfinden.

Athen, Kreta, Rhodos oder Istanbul - Die Urlaubsziele, wie wir sie kennen, sind derzeit sicherlich keine Reiseziele, wenn man auf der Suche nach wärmerem und sonnigem Wetter ist. Im Gegenteil - der Südosten Europas sowie die gesamte Schwarzmeerregion erleben einen derben Winter mit reichlich Schnee. Und in den kommenden Tagen gibt es noch reichlich "weiße Zugabe":

Palmen im Schnee

Schon in den vergangenen Wochen sorgten dabei Kaltlufteinbrüche, die mit Luft arktischen Ursprungs aus dem Nordosten herankamen, für Temperaturen bis in den Frostbereich bis in die östliche Mittelmeerregion. Schneemassen gab es insbesondere vom Südosten Italiens (speziell Apulien) über Griechenland bis in die Türkei um den Jahreswechsel herum. Im Internet finden sich reichlich Bilder von Autos, die bis zu den Dächern im Schnee feststecken. Bis an die Adria- und Ägäisküsten ist dabei Schnee gefallen, teils sieht man schneebedeckte Palmen, wie zum Beispiel am Strand von Euböa in Griechenland. Hier ein paar Eindrücke von höheren Lagen dieser Insel:

 

 

Auf MeteoEarth.com kann man sehen, dass es auch aktuell weiterschneit. Selbst auf Kreta werden dabei heute bei Schnee-, Regen- und Graupelschauern, vereinzelt auch Gewittern bei Temperaturen zwischen 3 und 7 Grad wohl kaum Sommergefühle aufkommen. Mehr und mehr verlagert sich nun der Schwerpunkt der teils extremen Schneefälle nach Osten, für die südliche Küste des Schwarzen Meeres kann man von einem regelrechten Schneesturm sprechen mit enormen Mengen, am Bosporus begleitet von Sturmböen.

Neuschnee von örtlich über 100 cm 

In den Abbildungen ist die Maximalabschätzung der Neuschneemengen gezeigt, die örtlich in jeweils sechs Stunden in cm fallen können. Stellenweise sind dabei Tageswerte von einem Meter Neuschnee an der türkischen Schwarzmeerküste durchaus möglich, und es schneit auch morgen, in Küstennähe sogar bis in den Freitag hinein noch weiter.

Mit großen Problemen durch die Schneemassen und Verwehungen ist daher durchaus zu rechnen. Bereits in den vergangenen Tagen kam es des öfteren zu kilometerlangen Staus, auf manchen Autobahnen und Fernstraßen in der Türkei und in Griechenland ging zum Jahreswechsel teils gar nichts mehr. 

Woher kommt so viel Schnee? 

Fachlich ausgedrückt verdanken wir diesen herben Wintereinbruch der Tatsache, dass der Jetstream zurzeit stark mäandriert. Das hört sich nun viel komplizierter an, als es für das Verständnis ist: der Jetstream ist ein Starkwindband, das in der höheren Atmosphäre weht und grob gesagt warmer von kalter Luft trennt. Wenn er stark mäandriert, so heißt das, dass hier die Kaltluft sehr weit nach Süden kommt und dort die warme Luft sehr weit nach Norden. Wie wir im Verlauf der Woche zunehmend bemerken werden, sind wir in Mitteleuropa auf der warmen Seite, die Strömung kommt also aus dem Südwesten und macht einen hohen Bogen über Nordeuropa, um von dort in Richtung Mittelmeer abzubiegen. 

Für Südosteuropa und das benachbarte Asien ist damit der Weg frei für die Kälte, die sich über Sibirien angesammelt hat. Diese wird wiederum durch Tiefs über dem Mittelmeer "angezapft". Diese entstehen oder verstärken sich leicht, wenn die kalte Luft über das sehr milde Mittelmeer streicht. 

Durch die Kaltluft aus Sibirien gibt es dabei derzeit einen Temperaturunterschied von teils -38 Grad in 5,3 km Höhe und teils +16 Grad warmem Meerwasser in der Ägäis. Durch diesen kann die feuchte Meeresluft sehr leicht bis in große Höhen aufsteigen, teils kräftige Niederschläge entstehen, die dann bei entsprechend höhenkalter Luft je nach Intensität auch bei leichten Plusgraden am Boden als Schnee fallen können. 

Der "Lake Effect"

Doch die Kombination Kaltluft und Wasser ist nicht nur dann wichtig, wenn man vertikal denkt. Auch in der Horizontalen ist der kalte Wind über die Wasserflächen ein echter Schnee-Bringer. Denn wenn dieser über das Mittelmeer oder Schwarze Meer streicht, wird die Kaltluft mit Wasserdampf gesättigt, und es entstehen kräftige Schneeschauer, die vor allem ihre Ladung dann an den Küstenstreifen abgeben. Man kann dies gut in der MeteoEarth App in der Prognose für den Freitag sehen, gezeigt in den Abbildungen. Auch aus anderen Regionen kennt man diesen Effekt, insbesondere an den Südufern der Großen Seen in den USA kennt man den Lake Effect, wenn etwa Chicago im Schnee versinkt. Doch nicht nur in die Ferne, auch an zum Beispiel die Ostseeküste hat ein solcher Lake-Effect bereits enorme Schneemengen gebracht.

Ein kleines Bonbon noch zum Schluss: Wo auf der Rückseite (Westseite) der Tiefs die Kaltluft gen Süden rauscht, findet auch die Ausgleichsbewegung statt. So findet man am Mittwoch nur gut 500 km weiter östlich am Kaspischen Meer beinahe sommerliche Bedingungen mit Höchstwerten jenseits der 20-Grad-Marke vor.