Tornados über der Ostsee

Mindestens vier Tornados über Wasser, so genannte Wasserhosen, gab es gestern bei Usedom & Rügen

Der Herbst ist in Deutschland die Zeit mit dem häufigsten Auftreten von Wasserhosen, also Tornados über dem Meer. Für den gestrigen 10.09.14 gibt es dabei mindestens vier bestätigte Fälle zwischen Rügen und Usedom, teils fotografisch dokumentiert. Wie kam es dazu?

Die erste Meldung einer Tornadosichtung erreichte uns dabei kurz nach 14 Uhr von Hiddensee, dieser soll dann auch das Festland nordwestlich von Stralsund erreicht haben. Über Schäden liegen dabei jedoch keine Meldungen vor. Kurz danach erreichten unsere Unwetterzentrale Aufnahmen von drei weiteren Tornados, die zeitgleich vor der Insel Usedom (vor den Drei Kaiserbädern) rotierten. Auch der Nachrichtendienst NonstopNews schickte uns Aufnahmen aus Usedom (Abb. 1), bei Youtube sind sie ebenfalls zu finden:

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Tornados auch ohne Gewitter oder Schauer

Aus den USA kennt man die mächtigen Tornados vor allem in Verbindung mit mächtigen und entsprechend strukturierten Gewitterwolken, den so genannten Superzellen. Die auf diese Weise entstehenden kleinräumigen und gefährlichen Wirbelstürme können dabei am kräftigsten werden und haben die größte Zerstörungskraft.

Auch bei uns in Mitteleuropa können durch Superzellen Tornados entstehen, die bei optimalen Bedingungen ebenso stark werden können wie in Nordamerika - daher ist die Bezeichnung Mini-Tornado, die man oft in den Medien findet, sowohl falsch als auch irreführend. Jedoch kommen im mitteleuropäischen Klima deutlich häufiger Wind- oder Wasserhosen (also Tornados über Land oder über Wasser) vor, die einem anderen Entstehungsprozess unterliegen. Wie man am gestrigen Beispiel sieht, muss dabei nicht einmal Niederschlag auftreten.

Doch wie entstehen diese Tornados? Beiden Typen, also die superzelligen wie auch die nicht-superzelligen Tornados ist gemein, dass eine Windscherung vorliegen muss, also eine Änderung der Windrichtung auf engem Raum. Der Unterschied ist, dass sich bei Superzellen der gesamte Aufwind in Rotation befindet. Bei den vorliegenden Fällen der Wasserhosen jedoch wird meist ein vorhandener, meist horizontale Wirbel, der zum Beispiel am Gelände oder an Konvergenzlinien entsteht, mit dem Aufwind unter solch einer Wolke mit in die Höhe genommen und gestreckt.

Durch die Streckung der Rotation nimmt aus physikalischen Gründen die Rotationsgeschwindigkeit zu (Pirouetten-Effekt), während sich gleichzeitig der Aufwindschlauch verengt - diesen Effekt kann man bei jedem Eiskunstläufer beobachten, der bei einer Pirouette seine Arme anzieht. Schließlich kondensiert das Wasser, und der Luftwirbel wird (teilweise) sichtbar.

Die so entstehenden Tornados können wie bereits erwähnt nicht die gleichen Stärken wie ihre superzelligen "Geschwister" erreichen, jedoch sind durchaus auch bereits Wasserhosen der Stärke F2 auf der Fujita-Skala entstanden, dabei handelt es sich bereits um Windgeschwindigkeiten zwischen 181 und 251 km/h - genug, um ganze Bäume zu entwurzeln oder Dächer von Häusern zu reißen.

Das warme Wasser macht's

Doch wieso ist ausgerechnet der Herbst die Blütezeit der Wasserhosen? Ursache sind zum einen die noch hohen Temperaturen des Oberflächenwassers der Nord- und Ostsee, und diese sind nach einer langen Wärmeperiode von März bis Mitte August gerade in diesem Jahr immer noch überdurchschnittlich warm (Abb. 3). Zum anderen ist es kalte Höhenluft, das innerhalb des gestern in unseren News behandelten Höhentiefs von Nordosten heranzog.

Dementsprechend hatten wir an der Ostseeküste am gestrigen Mittag Temperaturunterschiede zwischen +17 bis +18 Grad über dem Wasser und unter -20 Grad in gut 5 km Höhe (Abb. 4). Dadurch konnte die Luft besonders leicht aufsteigen, wodurch zum einen teils kräftige Schauer und Gewitter, zum anderen aber eben auch Wasserhosen entstehen können.

Während nun das Höhentief weiter südwärts zieht, nimmt der Temperaturunterschied heute über Nord- und Ostsee wieder ab und damit auch die Wahrscheinlichkeit für Tornados. Die Saison ist noch nicht vorbei, und weitere Bereiche höhenkalter Luft werden bereits für die Mitte kommender Woche prognostiziert. Wer insbesondere mit der Schifffahrt zu tun hat, sollte also die weitere Wetterentwicklung im Auge behalten, zum Beispiel mit unserer AlertsPro App.