Tornado bei Aalen?

Auf einem Zeltplatz bei Aalen im Ostalbkreis hat ein Unwetter große Schäden verursacht - ein Tornado?

Bei einem Unwetter auf dem Campingplatz Hammerschmiedesee bei Pommertsweiler in der Nähe von Aalen in Baden-Württemberg sind gestern mindestens 27 der 100 Kinder und Betreuer verletzt worden. Auf Bildern sieht man umgestürzte Wohnmobile, von einem Tornado ist die Rede. Wir erklären die Hintergründe:

Umhergewirbelte Campingbusse
In kurzer Zeit sei am gestrigen Montagmittag eine "schwarze Wand wie aus dem Nichts" aufgezogen, vor der die Leute gerannt seien. Einige Augenzeugen berichten von einem Tornado, der von Südwesten kommend über den Zeltplatz gezogen sei. Schadensbilder zeigen jedenfalls die Zerstörungskraft des Unwetters - zu sehen sind abgeknickte Bäume, zerstörte Dächer und Zelte, Tische und sogar Wohnmobile, die durch die Luft gewirbelt wurden und auf ihren Dächern liegen. Allein diese Bilder aus dem Kochertal östlich von Stuttgart lassen den Verdacht eines Tornados aufkommen, der aufgrund der Schäden etwa mit der Stärke F1 auf der fünfstufigen Fujita-Skala eingestuft würde.

Da Tornados sowohl sehr kleinräumig auftreten und zudem eine eher geringe Lebensdauer haben ist es oft so, dass man zunächst nur von einem Tornadoverdacht spricht. Nicht immer lassen sich nach dem Ereignis auch alle Zweifel ausräumen, denn neben Schäden durch Tornados gibt es ähnliche auch durch so genannte Downbursts, die ebenfalls bei organisierten Gewitterstrukturen auftreten. Schauen wir uns die Lage etwas genauer an:

Die kältere Luft erreichte uns durch Herannahen eines so genannten Höhentroges. Dieser ist deutlich in Abb. 2 in seiner Entstehung bereits am Sonntag zu erkennen. Durch den sehr starken Wind (Jetstream) an seiner Südflanke verschärfte sich dieser Trog, griff also südwärts aus und näherte sich uns von Nordwesten. 

Gleichzeitig befand sich über dem südlichen Deutschland noch die feucht-warme Luft mit entsprechend höherem Energiegehalt durch Wärme und Luftfeuchtigkeit. Mit Annähern der Kaltfront (Abb. 3) kamen von der Höhe die dynamischen Impulse, sodass diese Luftmasse leicht aufsteigen konnte und so auch Gewitter entstehen konnten. Durch den kräftigen Höhenwind, der sich nicht nur in großer Höhe, sondern auch noch als Windmaximum in 3 km Höhe mit Sturmstärke feststellen lässt (Abb. 4), konnten so hoch reichende und organisierte Gewitter entstehen.

Über Squall lines, Bow Echos, Downbursts und Tornados
Wenn im Vorfeld einer Kaltfront die Luft großflächig gehoben wird, können sich entstehende Gewitter in einer Linie anordnen, genannt squall line. Dies geschieht, da sich die Gewitter durch ihre Auf- und Abwinde gegenseitig beeinflussen und sich die Linie dadurch selbst am Leben erhält. Das System wird dadurch langlebiger als isolierte Gewitter, in den Tropen kann solch eine Linie über 10 Stunden existieren und eine Länge von 1.000 km bekommen.

Diese Dimensionen hat die gestrige squall line in Deutschland nicht erreicht. Ihr Entstehen war aber bereits am späten Vormittag auf dem Radar zu beobachten. Diese Gewitterlinie bewegt sich dabei von der kühleren in die feucht-wärmere Luft hinein. Dort, wo diese Luft in die Gewitter "hineingesogen" wird. Durch den Regen, der durch die kühlere Luft in der Wolkenmitte fällt, wird die Luft nach unten beschleunigt, so entsteht eine Böenfront auf der Vorderseite, sichtbar durch einen charakteristischen Böenkragen, so wie er auch in Abb. 1 zu sehen ist.

Bei entsprechend starken Höhenwinden (ab Sturmstärke in 3 bis 6 km Höhe) können diese Gewitterlinien eine Bogenform annehmen, sie öffnen sich dann in die Richtung der höchsten Windgeschwindigkeiten. Beobachtet der Meteorologe ein solches bow echo auf dem Radar, wird er besonders aufmerksam, da die Unwettergefahr durch ein heftiges Windereignis besonders groß wird. Ein solches zog auch gestern über Pommertsweiler hinweg, skizziert in Abb. 6 aus unserem Radar-Archiv.

Tornados treten an derartigen bow echos allerdings seltener auf. Die Hauptgefahr (neben Hagel) sind so genannte Downbursts. Auch dies sind heftige Böen, die aber im Gegensatz zum Tornado geradlinig auftreten. Windgeschwindigkeiten von 160 km/h sind dabei durchaus möglich - die Schäden sind mit denen von Tornados durchaus zu vergleichen, sie treten aber auf größerer Fläche auf. Hier das Beispiel eines Downbursts beim Durchzug einer squall line am 06.08. dieses Jahres in Thüringen:

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War es ein Downburst oder ein Tornado?
Sehr häufig werden von den Medien Schäden von Downbursts einem Tornado zugeschrieben, da diese Windereignisse ähnlich kurzlebig und intensiv ausfallen. Auch in unserem Fall sind noch Zweifel angebracht, da Downbursts an Gewitterlinien wesentlich häufiger auftreten. Auch ist die Richtungsscherung, also die Änderung der Windrichtung mit der Höhe, nur schwach ausgeprägt. Sie wird ja zur Entstehung von Tornados benötigt.

Allerdings gibt es Fälle, in denen auch bei bow echos Tornados entstehen, dies geschieht dann meist am Nordrand, dem "Kopf". Wie in Abb. 7 zu sehen ist, war der Schadensort nicht weit von dieser Position entfernt. Für die Entstehung eines Tornados könnte auch die geographische Lage im Kocher- und Remstal sprechen. Und nicht zuletzt sprechen die Schadensbilder mit den teils weit von ihrem ursprünglichen Standort gewirbelten Gegenständen eher für das Auftreten eines Tornados.

Fazit: Man sieht, es gibt noch Unsicherheiten, aber es ist durchaus möglich, dass wir es gestern auf dem Campingplatz mit einem Tornado zu tun hatten. Eine genauere Inspektion des Schadensortes wird sicher noch weitere Erkenntnisse bringen. Wir werden bei neuen Informationen hier oder per Facebook und Twitter darüber berichten.