Kälterekorde im Frühling

Der Höhepunkt der arktischen Kaltluft ist erreicht und die Rekorde purzeln. Wir erklären die Hintergründe.

Am Mittwoch haben wir es angekündigt: Die rekordverdächtige Kaltluft ist bei uns angekommen. Wie es die arktischen Luftmassen überhaupt bis zu uns schaffen konnten, erklären wir heute. Dazu werfen wir einen Blick nach Osteuropa und auf die Temperatur- und Luftdruckanomalien auf der Nordhalbkugel. Außerdem klären wir, wie selten eine derartige Witterung tatsächlich aufgetreten ist.



Teile Deutschlands werden von Nordosteuropa her von der zur Zeit kältestmöglichen Luftmasse („cA“ – kontinental / arktisch) dieser Jahreszeit überhaupt beeinflusst. Die Nordhälfte des Landes friert daher bei Temperaturen unter Null Grad Celsius. Im klimatischen Mittel herrschen normalerweise nachts Temperaturen um oder leicht über dem Gefrierpunkt, tagsüber zwischen +8 und +10°C.

Überblick
Über den Anrainerstaaten der Ostsee liegt die Luftmasse, welche sich in milderen Wintern eigentlich in polaren Regionen aufhalten sollte. An dieser Stelle macht sich derzeit jedoch mildere Höhenluft breit. Im Vergleich zum langjährigen Mittel weicht die Temperatur in ca. 1000 m Höhe über dem Nordpol um +12°C ab! Das Gegenstück dazu bildet 10 Grad kältere Luft über Skandinavien und dem Baltikum mit Ausbrüchen bis nach Mitteleuropa.

Ursachen für die Verschiebung der Luftmassen
...sind die kürzlich angesprochene Arktische Oszillation (AO) und die ausgedehnte Schneedecke. Im östlichen Mitteleuropa und dem Baltikum liegen um oder über 20 cm Schnee. Und weil in weiten Teilen Nordostdeutschlands ebenfalls derartige Schneehöhen zu verzeichnen sind, schleicht sich die arktische Luft über dem Schnee zu uns. Ohne die weiße Erdbedeckung würden derart niedrige Temperaturen nicht zustande kommen – jedenfalls nicht mehr zu dieser Jahreszeit. Es laufen somit alle einzelnen Parameter wie Zahnräder ineinander, um diesen außergewöhnlichen Kältevorstoß zu ermöglichen!

Gab‘s so etwas schon mal?
Derartige Temperaturverteilungen auf der Nordhalbkugel äußern sich in einem sehr stark negativen Arktische-Oszillation-Index von unter –5. Ähnliche Werte hatten wir zuletzt im Jahr 1962. Damals war die Luftmassenverteilung nahezu identisch wie heute, der Rhein fror im Winter 1961/62 letztmals komplett zu! Man sieht also, wozu solche ungewöhnlichen Luftmassenverteilungen zum richtigen Zeitpunkt (also im Hochwinter) im Stande sind.
In den Jahren 1917 und 2006 gab es allgemein einen kalten März. Es gab auch noch weitere Märzmonate, die vielerorts im Mittel kälter waren als der diesjährige, jedoch nicht so extrem ausfielen. Berlin jedoch hatte im Jahr 1883 den bisher kältesten März seit es überhaupt ansatzweise Wetteraufzeichnungen gibt. Die Monatsmitteltemperatur lag damals bei -0,8°C – der März 2013 könnte im Mittel ähnlich kalt oder sogar noch kälter ausfallen!
In der Bundeshauptstadt wird zudem heute der Rekord der niedrigsten Maximaltemperatur während der zweiten Märzhälfte unterboten. Am 17.03.1969 gab es –2,8°C als Tageshöchsttemperatur. Heute prognostizieren die Modelle an der Spree Maximalwerte von nur -5 bis -4°C.

Kampf der Giganten
Im Gegensatz zur klirrenden Kälte im Nordosten wird auch heute noch einmal im äußersten Südwesten an den zweistelligen Plusgraden gekratzt. Die Sonne hat schon zu Beginn des Monats mit stellenweise über 20°C im Westen gezeigt, was für eine Kraft sie zu dieser Jahreszeit schon hat. Und mit jedem Tag steigt die Sonne bis zum 21.6. immer höher über den Horizont, was den Grundstein für eine potenziell längere Sonnenscheindauer legt. Der Gigant „Arktikluft“ hingegen konnte den Kampf gegen die Sonne bisher für sich entscheiden: Im Nordosten wurde es in den letzten Tagen immer kälter. Mit dem Schnee verteidigt sich die arktische Kaltluft selbst. Über geschlossenen Schneedecken wird ein großer Teil der Sonnenstrahlung ins Weltall reflektiert, damit erhält sich die Scheedecke selbst. 


Wie geht’s weiter?
Der Trend weist von Südwesten her auf steigende Temperaturen zu den Ostertagen hin. Die zähe Kaltluftmasse scheint somit früher oder später der voranschreitenden Jahreszeit zu erliegen.