Jahrtausendwinter?

In den Medien herrscht zurzeit Aufregung über die Ankündigung eines extremen Winters. Was ist dran?

Die ersten Winterprognosen in den populären Medien sparen nicht mit Superlativen. Von einem "kältesten Winter seit 100 Jahren" ist die Rede, teilweise wird sogar das Wort "Jahrtausendwinter" oder "Eiszeit" benutzt. Was ist wirklich dran an diesen eisigen Vorhersagen?

Schwacher Golfstrom
Die wohl kaum noch zu steigernden Aussagen zum kommenden Winter in Europa sind dabei in der Boulevardpresse zu lesen. Die BILD etwa fragt:

"Schneit uns der härteste Winter seit 100 Jahren ins Land?"

Noch weiter geht die Berliner Zeitung:

"Russen sagen Europa einen Jahrtausend-Winter voraus"

Beide Blätter und viele andere ähnlich lautende Meldungen beziehen sich dabei auf eine Meldung, in der Vadim Zavotschenkow, ein russischer "Wetterforscher", aussagt, dass er das Szenario eines Rekordwinters für wahrscheinlich halte. Ursache sei der derzeit schwache Golfstrom, der nur 70% der sonst üblichen Wärmemenge zu uns transportiere. Ein polnischer Kollege, Michael Kowalewski, soll gar schon eine neue Eiszeit auf uns zukommen sehen, falls der Golfstrom kollabiert. Derartige Extremprognosen werden naturgemäß gerne von allen Medien verbreitet, da das Interesse an langfristigen Prognosen so groß ist.

Verblüffende Flaschenpost
Es gibt jedoch derzeit keine seriösen Hinweise darauf, dass der Golfstrom zum Erliegen kommen könnte. Er unterliegt wie so viele andere Dinge in der Natur periodischen Schwankungen. Auch Behauptungen, die dem BP Konzern und seiner Ausbringung der Chemikalie Corexit gegen die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko die Schuld am zeitweiligen Abreißen des Golfstroms vor der Ostküste der USA geben, sind reine Spekulation. 

Dies zeigt auch ein aktueller Artikel bei Spiegel Online über eine Flaschenpost, die die Forscher verblüfft hat. Sie wurde im April 2009 vor der Küste Floridas ins Meer geworfen und 16 Monate später bei Irland gefunden - Der Golfstrom hatte sie in einer Geschwindigkeit dorthin transportiert, die selbst Meeresforscher nicht für möglich gehalten hatten.

Was "kann" eine Winterprognose?
Wenn wir also vom Golfstrom absehen, was kann man nun seriöserweise über den Winter bisher sagen? Vom heutigen Zeitpunkt aus weniger, als vielen von uns lieb ist. Langfristprognosen befinden sich heutzutage noch immer in einem experimentellen Stadium. Deren Eintreffwahrscheinlichkeit liegt somit deutlich hinter den täglich verbreiteten Kurz- und Mittelfristprognosen, die einen Zeitraum von etwa 5 bis 7 Tage abdecken.

Das Interesse an Jahreszeitenprognosen – vor allem für den Sommer und Winter – ist aber regelmäßig sehr groß. Daher werden veröffentliche Extremszenarien für die bevorstehende Jahreszeit gerne auch von Medien aufgenommen. Tatsächlich kann man nur in Wahrscheinlichkeiten sprechen, zu denen bestimmte Parameter von den langjährigen Mittelwerten abweichen, insbesondere Temperatur (zu kalt oder zu warm) und Niederschlag (eher mehr oder weniger Regen / Schnee als üblich).

Pro und Contra Kälte
Immerhin ist bemerkenswert, dass wir es seit Ende letzten Jahres mit einem immer wiederkehrenden, so genannten meridionalen Strömungsmuster zu tun haben. Die länger anhaltenden Westwetterlagen haben dabei deutlich abgenommen. Es ziehen also nicht mehr in regelmäßiger Abfolge Tiefs vom Atlantik her über uns hinweg, sondern die Strömung verläuft eher in Nord-Süd-Richtung (Abb. 2).

Es kommt dadurch häufiger zu so genannten Blockadelagen, wobei Warmluft hier extrem weit nach Norden und Kaltluft dort sehr weit nach Süden vorankommt - Große Abweichungen von den Mittelwerten sind die Folge, Extremwetterlagen sind also häufiger zu finden (zum Beispiel die Hitze im August 2010 in Russland oder die vielen zu kühlen Monate in Deutschland). Es fällt dabei auf, dass der so genannte NAO-Index (zur Erklärung siehe diese Wetternews) nach Jahrzehnten in seine negative Phase eingetreten ist (Abb. 3), was auch Auswirkungen auf die Witterung im Winter in der Nordhemisphäre hat (Abb. 4).

Sollten die Westlagen auch im Winter ausbleiben, ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass uns in Europa Kaltlufteinbrüche über Sibirien oder Skandinavien erreichen. 

Andererseits gibt es für den Winter 2010/2011 widersprüchliche Signale. Der derzeit bereits recht kalte Oktober mit häufigem Nachtfrost und sogar ersten Schneefällen spricht allerdings statistisch gesehen gegen einen kalten und schneereichen Hochwinter. Schaut man sich die Winter-Historie nach zu kalten und unbeständigen Oktobermonaten an, so fällt die große Anzahl nachfolgender milder Winter auf.

Wie wird also der Winter?
Um es ganz klar zu sagen: Konkret kann das bisher nicht vorhergesagt werden, wenn auch die Wahrscheinlichkeit für vorübergehende Kaltlufteinbrüche leicht erhöht ist. Ein Jahrhundert- oder gar Jahrtausendwinter ist aber nicht in Sicht. Auch in der 28-Tages-Prognose oder in den Ensembleprognosen (Abb. 5 bis 7) sind keine Signale auf Extremereignisse zu entdecken.

Insgesamt erwarten wir aus heutiger Sicht für Deutschland also einen Winter, der zwar auch einige Perioden mit Dauerfrost und Schnee bis ins Tiefland bringen dürfte, allerdings sollten für den Gesamtwinter keine extremen Ausmaße auftreten.