Hurrikane und Ölteppich

Eine hyperaktive Hurrikansaison ist vorausgesagt - und könnte durch den Ölteppich noch deutlich verstärkt werden

Nach der jüngst herausgegebenen Prognose der diesjährigen Hurrikansaison für den Atlantik von den Experten vom gestrigen 27. Mai 2010 ist mit deutlich mehr Hurrikanen zu rechnen als normal. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hurrikan über den Ölteppich der gesunkenen Plattform "Deepwater Horizon" am Golf von Mexiko zieht. Welche Folgen wären dann zu erwarten?

Mit diesem interessanten Aspekt hat sich der amerikanische Meteorologe Dr. Jeff Masters in seinem Blog beschäftigt. Doch zunächst zu der jüngsten Prognose der amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA. Prognostiziert werden  mit einer Wahrscheinlichkeit von 70%  14-23 benannte Tropische Stürme, davon 8-14 Hurrikane, hiervon wiederum 3-7 "Major Hurricanes" ab einer mittleren Windgeschwindigkeit von 180 km/h mit 155%-270% der normalen aufsummierten Energiemenge (ACE). Es muss hier festgehalten werden, dass die Prognosen der NOAA zu den treffsichersten zählen (Abb. 4)

Gründe für eine aktive Hurrikansaison
Die NOAA nennt für ihre Prognose drei Gründe:

1. hat man es in der Entwicklungsregion der Hurrikane auf dem äquatorialen Atlantik zwischen der Karibik und der Westküste Afrikas mit rekordverdächtig hohen Wassertemperaturen zu tun, wodurch genügend Energie bereit gestellt wird, und Modellprognosen versprechen ebenso rekordverdächtige Werte für die Hauptzeit der Hurrikane zwischen August und Oktober, 

2. befinden wir uns in einem regelmäßig wiederkehrenden Zyklus der Meeresströmungen seit 1995 in einer Phase, in der die Bildung von Hurrikanen begünstigt ist, genannt AMO (Atlantische Multidekaden-Oszillation),

3. sind die El Niño Bedingungen beendet, und wir kehren in eine neutrale Phase zurück oder finden in den kommenden Monaten sogar La Niña Bedingungen vor. Wie schon in damaligen Wetternews beschrieben, begünstigt dies ebenfalls die Bildung von Hurrikanen.

Zusammengefasst sind dies also stichhaltige Argumente, dass wir damit rechnen müssen, dass zumindest ein starker Hurrikan auch in den Golf von Mexiko zieht und damit in Kontakt mit dem Ölteppich kommen wird. Was ist in diesem Falle zu erwarten?

Neuland
Dieses Zusammentreffen dürfte von großem Interesse und mit großer Sorge beobachtet werden, da ein solcher Fall in der Geschichte bisher nie aufgetreten ist. Dr. Jeff Masters nennt zumindest einen Beinahe-Fall aus dem Jahr 1969, als Hurrikan Henri mit der kleinsten Kategorie 1 (von 5) im südlichen Golf von Mexiko auf den Ölteppich nach der Katastrophe von Ixtoc I traf.

Damals zeigte sich, dass der Hurrikan unter günstigen Bedingungen sogar ein Helfer sein kann. Denn auf sandigen vorgelagerten Inseln sorgte seine Dünung zusammen mit einem Orkantief im Golf von Mexiko dafür, dass das Öl hier in die dahinter befindlichen Flussmündungen gespült wurde und hier bis auf den Boden sank.

Dies funktioniert allerdings nur auf Sand, nicht bei Marschland oder felsigen Küsten. Hier bleibt das Öl größtenteils an den Pflanzen und Wurzeln oder an den Steinen hängen. So konnte keiner der Orkanstürme, die über Alaska zogen, das Öl nach dem Tankerunglück der Exxon Valdez von 1989 abwaschen.

Öl rotiert im Golf
Eine ganz andere Entwicklung macht derzeit Sorge. Dies betrifft die derzeitige Ausbreitungsrichtung des aktuellen Ölteppichs und könnte auch für die Hurrikansaison noch entscheidende Effekte haben. Hier geht es darum, dass der Ölteppich jetzt den so genannten "Loop Current" erreicht. Dies ist die Meeresströmung im Golf von Mexiko, aus der im weiteren Verlauf der Golfstrom wird (Abb. 5). Hier wird der Floridastrom durch die Meerenge bei Yucatán in den Golf von Mexiko gepresst und anschließend zwischen Kuba und Florida wieder heraus.

Da das Wasser hier durch zwei sehr enge Stellen fließen muss, kommt es zu einem Düseneffekt. Im Golf selbst ändert die Meeresströmung dabei auf halbem Weg zwischen Kuba und dem amerikanischen Festland seine Richtung und fließt mit dem Uhrzeigersinn wieder zurück (Abb. 6). Dabei können sich Meereswirbel ablösen, so genannte Eddys. Diese kann man sich als so etwas wie ein Hurrikan im Meer vorstellen. Sie sind tiefreichend mit warmem Meerwesser angefüllt, und ein solcher Eddy verlagert sich über mehrere Monate langsam nordwestwärts und schwächt sich dabei ab.

Momentan befinden wir uns in Abb. 6 in der Phase 2, und der "Loop Current" ist anhand der Infrarot-Satellitenaufnahme von Anfang Mai (Abb. 7) und aktuellen Satellitenmessungen (Abb. 8) hier gut zu erkennen. Es ist nun zu befürchten, dass wenn der Ölteppich Kontakt mit dem Nordrand dieser Strömung aufnimmt, das Öl sich hiermit südostwärts auf die Küste Floridas zubewegt und hier wertvolle Ökosysteme bedroht. Aber was bedeutet diese Entwicklung für die Hurrikansaison?

"Explosionsartige Verstärkung" der Hurrikane
Wahrscheinlich wird also in den kommenden Monaten ein warmer Wasserwirbel angefüllt mit Öl allmählich über den Golf mit gut 6 km/h nordwestwärts wandern, bis er sich Anfang 2011 vor der Küste Texas' auflösen wird. Es ist also davon auszugehen, dass Öl, sollte es immer noch ausströmen, durch einen Hurrikan in diesen Eddy getrieben wird, während der Haupt-Meeresstrom weiter südlich verlaufen wird. Das wahrscheinlichste Szenario nach einem Hurrikan ist also ein rotierender Meereswirbel von 400 km Durchmesser, der in seinem Inneren eine Öloberfläche haben wird.

Da Öl dunkler ist als Wasser, wird dies mehr Sonnenlicht absorbieren, wodurch die Wasseroberflächentemperatur deutlich höher sein wird als im vergleichbaren Fall ohne Öl. Auch wird durch das Öl verhindert, dass sich bei Verdunstung das Wasser unter ihm abkühlt. Man gibt potenziell neuen Hurrikanen damit also deutlich mehr Energie mit, die sich eventuell stärker entwickeln könnten als unter normalen Bedingungen.

Allein die Passage der Hurrikane Katrina und Rita über solche warmen Eddys hat damals zu einer enormen Verstärkung geführt. Bei den durch Öl zusätzlich erwärmten Wirbeln erwartet Dr. Jeff Masters eine explosionsartige Verstärkung. In dieser Saison herrscht also eine besonders hohe Bedrohung, insbesondere für alle Bewohner in Golfnähe. Im Januar 2011 wird sich dann der Eddy in den flachen Wassern vor der texanischen Küste allmählich auflösen. Dr. Jeff Masters geht davon aus, dass bis dahin der Hauptanteil des Öls auseinander getrieben wurde, verdunstet oder gesunken ist.