Nicht nur El Niño

Auf dem Pazifik bahnt sich eine vielleicht jahrzehntelange Änderung typischer Meerestemperaturen an

Geht es um auffällige Witterungserscheinungen wie zum Beispiel auch um diesen kräftigen Nordhemisphärenwinter 2009/2010, so fällt oft der Begriff El Niño. Er bezeichnet eine Temperaturanomalie auf dem tropischen Pazifik mit großen Einflüssen auf weltweite Witterungsmuster. Doch in diesem Jahr verläuft der Winter besonders in den USA anders also sonst in einem El Niño-Jahr. Grund dafür ist vermutlich ein anderer, großer Wechsel, nämlich dem der "PDO".

El Niño
ENSO und PDO, was bedeuten diese Buchstaben? Beide bezeichnen ähnliche räumliche Phänomene, aber auf ganz unterschiedlichen Zeitskalen. ENSO bedeutet "El Niño Southern Oscillation", also eine periodische Veränderung der Meerestemperaturen im äquatorialen Pazifik. Dabei ist die positive ENSO-Phase als El Niño, die negative als die Gegenspielerin La Niña bekannt. Beide haben weltweite Auswirkungen auf das Wettergeschehen.

Im Falle des El Niño sorgen dabei schwächere Passatwinde dafür, dass im östlichen Teil des äquatorialen Pazifik die Oberflächentemperatur des Ozeans höher ist als normal. Hier kommt es demnach zu kräftigeren Niederschlägen, während in Indonesien und Australien Dürreperioden anstehen. Bei La Niña sieht es dagegen genau umgekehrt aus. Auch der Jetstream wird beeinflusst, was entscheidend ist für die Hauptzugrichtung von Hoch- und Tiefdruckgebieten und damit auch für das Wettergeschehen insbesondere in Nord- und Mittelamerika.

Im Falle eines ausgeprägten El Niño-Ereignisses kommt es dabei zu überdurchschnittlichen Temperaturen, wenn die Luft von der wärmeren Pazifikküste über die Rocky Mountains die nördlichen Plains erreicht (Abb. 2 und 3), was arktische Kaltluftvorstöße von Kanada kommend etwas abbremst. Gleichzeitig kommt es mit dem überdurchschnittlich warmen Pazifikwasser und damit den dazugehörigen Niederschlägen von Kalifornien bis hinunter nach Latein- und Südamerika während starker El Niño Jahre zu dramatischen Überschwemmungen.

Letzteres fand aber trotz des jetzt zu Ende gehenden mäßigen El Niño Ereignisses nicht statt. Die Niederschläge im Südwesten der USA sind seit Beginn der positiven ENSO- und damit El Niño Phase im Juli 09 etwa durchschnittlich oder nur leicht überdurchschnittlich. Man vermutet nun, dass der Grund hierfür in einer weiteren Temperaturschwankung zu suchen ist, der Pazifischen Dekaden-Oszillation oder PDO.

Pazifische Dekaden-Oszillation (PDO)
Hier handelt es sich um eine abrupte Änderung typischer Oberflächentemperaturen des Pazifik, die allerdings noch wenig erforscht ist. Sie wurde 1996 benannt, nachdem der Wissenschaftler Steven Hare die Entwicklung von Lachsbeständen vor Alaska mit dem Klima im Pazifikraum in Verbindung setzte. Der Entstehungsmechanismus und damit auch die Vorhersagbarkeit dieser Anomalie ist noch weitgehend unbekannt.

Das typische Temperaturmuster kann man damit ansatzweise mit dem von ENSO vergleichen. Die größten Unterschiede zeigen sich aber hier in erster Linie deutlich nördlicher, schwächer sind sie im Bereich des Äquators, während die Verhältnisse bei El Niño / La Niña genau umgekehrt sind.

Der entscheidende Unterschied zwischen ENSO und PDO ist aber die Zeitskala: Dauert eine ENSO-Phase üblicherweise 6 bis 18 Monate. Die Rekonstruktion der Meerestemperaturen des Pazifik zeigen dagegen, dass es im letzten Jahrhundert nur zwei komplette PDO-Zyklen gab: die negative Phase dauerte von 1890-1924 / 1947-1976, während die positiven von 1925-1946 beziehungsweise von 1977 bis in die mittleren 90er Jahre andauerte, also über mehrere Jahrzehnte (Abb. 4).

Bleiben wir bei Abb. 4: Berechnet man den entsprechenden PDO-Index anhand der Meerestemperatur des Pazifik, so kann man annehmen, dass wir in den letzten Jahren den  Übergang von einer positiven zu einer negativen PDO-Phase erleben. Die Temperaturanomalien sind in Abb. 5 zu sehen, links für eine warme (positive), rechts für eine kalte (negative) Phase.

Was passiert, wenn sich El Niño und eine kalte PDO-Phase überlagern?
An den Auswirkungen in den USA kann man nun sehen, was passiert, wenn sich eine gerade noch positive ENSO-Phase und eine kalte PDO-Phase überlagern. Im nördlicheren Teil des Pazifik sind die Temperaturen nicht mehr überdurchschnittlich, sondern El Niño wird besonders hier durch die kalte PDO-Phase ausgebremst. Das Pazifikwasser an der mittleren und nördlichen Küste der USA weist also höchstens geringfügig höhere Oberflächentemperaturen auf oder ist normal temperiert  (Abb. 6).

Auch im äquatorialen Bereich ist das Gebiet der größten positiven Temperaturabweichungen nach Süden und Westen verschoben, während sie während eines ungestörten El Niño Ereignisses die Küsten unmittelbarer betreffen (Abb. 7). Man diskutiert in der Fachwelt derzeit darüber, ob dies auf den Überlagerungseffekt zurückzuführen ist, oder ob wir hier Auswirkungen des menschgemachten Klimawandels erkennen können.

Dies bedeutet zum Beispiel, dass extreme Niederschlagsereignisse im Südwesten der USA unterdrückt werden. Andererseits "fehlt" die mildere Luft vom Pazifik in den Great Plains. Demzufolge können Schneestürme von Kanada kommend leichter nach Süden und Osten vordringen, ein Effekt, den wir in den letzten Wochen hier ja auch beobachten konnten.

Ob die vermutlich langjährige Änderung der Temperaturverhältnisse im Pazifik auch Einflüsse auf unser Wetter hat, bleibt abzuwarten. Gemäß der Faustformel, dass Kaltlufteinbrüche in den USA oft nach ein bis zwei Wochen über den Atlantik auch bei uns ankommen, ist dies zumindest anzunehmen.

 

Hinweis: Abb. 1 unterliegt der CC-Lizenz.