Windig...oder stürmisch?

Ein kleines Randtief lässt den Wind im Nordwesten aufleben. Eine Gelegenheit, das Prinzip Wettervorhersage zu erklären.

Unter günstigen Bedingungen kann es am Rand eines kräftigen Tiefs zu der Entwicklung eines kleinräumigen Randtiefs kommen. So klein sie sind, haben diese Randtiefs es oft in sich. Heute, am 29.07.09, entwickelt sich ein solches. Zumindest an der Nordsee sollte man sich daher auf stürmische Zeiten einstellen.

Wie kräftig sich der Wind im Nordwesten Deutschlands jedoch wirklich entwickeln wird, ist derzeit noch nicht genau vorherzusagen. Denn wegen seiner geringen Ausdehnung und hohen Dynamik ist auch das Sturmfeld eines solchen Randtiefs eng begrenzt und auch zeitlich großen Änderungen unterworfen.

Doch der Reihe nach: Heute soll nach Einigkeit aller relevanten Vorhersagemodelle an der Front des Tiefdruckwirbels Yves mit Zentrum bei den Shetland-Inseln über Südengland ein Teiltief entstehen (Abb. 2). Es zieht dann in der Nacht zum Donnerstag in die Nordsee und morgen am 30.07.09 weiter in Richtung Südwestnorwegen, wobei es sich kräftig verstärkt (Abb. 3).

Wie man gleichzeitig erkennt, verläuft die vorausgesagte Zugbahn dieses Randtiefs relativ weit nördlich. Dementsprechend ist insbesondere der Nordwesten Deutschlands betroffen, wohingegen nach Süden kaum etwas von diesem Tief zu spüren sein wird.

Mit Durchzug der Front kommt es dabei im Nordwesten gleichzeitig zu teils gewittrigen Regengüssen. Geht es um den Wind, besteht hier die Hauptgefahr, bei kräftigen Gewittern kann dabei der kräftige Höhenwind "heruntergemischt" werden, wodurch es zu kräftigen Böen kommen kann.

Wahrscheinlich stürmisch. Unwahrscheinlich orkanartig?
Doch wie stark wird es wirklich werden? Da es sich um eine Wettervorhersage und keine Weissagung handelt, sollte man sich insbesondere bei derartig kleinräumigen Systemen immer auch ein "Fehlergebiet" um das prognostizierte Sturmfeld herum denken. Dies gilt in Bezug auf den räumlichen Fehler als auch auf seine Intensität. 

Eine Wettervorhersage ist überwiegend eine Prognose der höchsten Wahrscheinlichkeit. Wegen der chaotischen Natur des Systems Atmosphäre können jedoch kleine Effekte auch für eine nennenswerte Abweichung von der Prognose sorgen, die natürlich besonders bei Gefahr kräftiger Wettererscheinungen mit berücksichtigt werden sollte.

Daher benutzt man nicht nur eine Berechnung zur Wettervorhersage, sondern gleich einen ganzen Satz von etwa 50 Prognosen zum Vergleich. Dieses EPS genannte Ensemble Prognose System des Wettermodells ECMWF etwa dient dann auch dazu, die Eintreffwahrscheinlichkeit beurteilen zu können und auch eventuell unwahrscheinliche, aber markante Wetterentwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Alle Prognosen für die maximalen 6-stündigen Böen sind für Hamburg in Abb. 4 zu sehen.

Der Extremwetter-Index
Zur besseren Übersicht für den Meteorologen ist aus diesem EPS der Extreme Forecast Index EFI (Extremwetter-Index) entstanden. Er liegt im Bereich -1 und +1 und zeigt - dargestellt auf einer Karte - gleich, wo unwetterartige Entwicklungen am wahrscheinlichsten sind. Eine große Abweichung vom "mittleren" Zustand Null im Vorhersagemodell wird dabei entweder durch einzelne Berechnungen erreicht, die extreme Abweichungen enthalten, oder aber durch viele Berechnungen (= hohe Wahrscheinlichkeit), die mäßige Abweichungen prognostizieren.

Dieser EFI ist für die höchsten Böen am 30.07.09 in Abb. 5 zu sehen. Es zeigt eine hohe Wahrscheinlichkeit für extreme Windereignisse (EFI = +1) im Umfeld der Deutschen Bucht, insbesondere an der deutsch-dänischen Grenze. Die meisten Wetterberechnungen zeigen auch das kleinräumige Sturmfeld in diesem Bereich, mit Höhenwinden in knapp 1,5 km von 40-50 Knoten entsprechend ca. 75 bis 95 km/h oder zu erwartende Böen der Stärke 9 bis 10 (maximal schwere Sturmböen, siehe Abb. 6).

Doch wie wir am Beispiel des Diagramms von Hamburg (Abb. 4) sehen, sind hier schwere Sturmböen eher unwahrscheinlich, da sie nur von einer Berechnung vorhergesagt werden, also rechnerisch zu 2% möglich. Doch können schwere Sturmböen insbesondere im Sommer an belaubten Bäumen große Schäden verursachen, weswegen man die wenn auch geringe Möglichkeit nicht ignorieren sollte.

Was heißt das nun konkret?
Am wahrscheinlichsten ist nach derzeitigem Erkenntnisstand, dass man im Umfeld der Nordsee ab der Nacht zum 30.07.09 von Westen her zunächst mit starken bis stürmischen Böen rechnen sollte. Im weiteren Verlauf der Nacht und insbesondere am Nachmittag werden wahrscheinlich auch Sturmböen auftreten, wobei insbesondere auf der Kimbrischen Halbinsel (also Schleswig-Holstein / Jütland) mit schweren Sturmböen rechnen sollte. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Gewittern.

Nicht ganz auszuschließen, aber nach derzeitigem Stand eher unwahrscheinlich sind auch vereinzelt orkanartige Böen in diesem Umfeld. Eine Prognose des ECMWF-Wettermodells finden Sie in Abb. 7.