Wärmebremse Staub

Neue Studien zeigen, dass atmosphärischer Staub die Erderwärmung mehr bremsen könnte als bisher gedacht

Wenn Klimaforscher die globale Temperaturentwicklung der Zukunft abschätzen wollen, so richten Sie gerne den Blick weit in die Vergangenheit, zum Beispiel durch die Untersuchungen von Eisbohrkernen. Eine aktuelle dieser Studien zeigt nun, dass sich in kalten Klimaperioden mehr Staub in der Atmosphäre befunden haben muss als bisher gedacht. Damit muss auch dem Staub ein im Vergleich zu Kohlendioxid prozentual höherer Einfluss zugebilligt werden.

Den Staub entdeckte das Forschungsteam um Prof. Ulrike Lohmann von der ETH Zürich im so genannten Wostok-Bohrkern aus der Antarktis. In seinem Eis befinden sich Bläschen, in denen Luftproben eingeschlossen sind, die bis zu 42.000 Jahre in die Vergangenheit zurückreichen.

Dies ist deswegen so interessant, weil unser Klima seit erst 10.000 Jahren relativ stabil ist ("erst" im erdzeitgeschichtlichen Sinne). Durch die Eisbohrkernuntersuchung ist es aber nun möglich, die Luftzusammensetzung etwa zur letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren oder noch weiter in der Vergangenheit nachzuvollziehen.

Mehr Staub im Eis als gedacht
Die nun im Eis eingeschlossenen Luftbläschen, die untersucht wurden, stammen aus der Abkühlungsphase vor 42.000 Jahren bis hin zum Eiszeitmaximum. Hierbei wurde eine wesentlich höhere Staubkonzentration entdeckt als bisher vermutet. Dadurch erreichte weniger Sonnenstrahlung die Erdoberfläche (das so genannte "global dimming"). Als die Staubkonzentration wieder abnahm, sei auch die Globaltemperatur wieder gestiegen (GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS, VOL. 35, L04804, doi:10.1029/2007GL032759, 2008).

Prognose über die Globale Erwärmung gebremst
Dieses gemeinsame Auftreten der Schwankungen von Temperatur und Staubkonzentration ist nun ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Einfluss von Staubpartikeln stärker berücksichtigt werden muss, als es noch im vergangenen vierten Sachstandsbericht der IPCC-Klimaexperten der Fall war.

Unter dem Stichwort Klimasensibilität wird der zu erwartende globale Temperaturanstieg bei einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre angegeben, diese liegt laut Bericht zwischen 1,5 und 4,5°C. Diese weite Spanne der Experten zeigt dabei die hohe Unsicherheit, die immer noch in Bezug auf den Einfluss von Kohlendioxid bei der globalen Erwärmung herrscht.

Durch den vermutlich höheren Einfluss des Staubes, der nun in der aktuellen Studie festgestellt wurde, wird für das gleiche Szenario mit einer Sicherheit von 95% eine Erwärmung zwischen 1,3 und 2,3°C prognostiziert, liegt also nur noch im unteren Bereich der IPCC-Schätzung.

Durch andere Studie bestätigt
Eine andere Studie stützt diese aktuellen Ergebnisse. Die Wissenschaftler des EPICA-Projekts ("European Project for Ice Coring in Antarctica") entdeckten bei Eisbohrkern-Untersuchungen eine starke Verknüpfung zwischen Wärme- und Kälteperioden der Erde auf der einen Seite und der Staubkonzentration in der Luft auf der anderen.

Hier wurde erkannt, dass es einen engen Zusammenhang mit der Staubkonzentration aus Patagonien und der Temperatur in der nahen Antarktis gab. Je kälter es wurde, desto enger waren diese beiden Faktoren verknüpft. Die Forscher fanden heraus, dass bei zunehmender Kälte die Staubpartikel länger in der Luft verbleiben. Bei höheren Temperaturen gelangen sie durch Niederschläge schneller ins Meer. Durch die längere Überlebenszeit bei gleichzeitig sinkender Temperatur ergibt sich so eine Rückkopplung, die zu weiterer Abkühlung führt.

Beispiel Vulkanausbruch
Den Effekt der Verunreinigung auf die globale Temperatur erkennt man auch in der Neuzeit, der Staub stammt hier aus Vulkanausbrüchen. Im Jahr 1991 brach auf den Philippinen der Pinatubo aus und setzte 10 Millionen Tonnen Sulfate in die Atmosphäre frei. Dies führte im im Sommer 1992 und 1993 zu einer Absenkung der globalen Temperatur um 0,5°C.

Der Supervulkan Toba auf Sumatra hatte bei seinem Ausbruch vor 74.000 Jahren sogar die Erdtemperatur um 5°C abgesenkt und damit einen so genannten vulkanischen Winter herbeigeführt.

Mit Schwefel gegen die globale Erwärmung?
Dies hat Nobelpreisträger und Meteorologe Paul Crutzen vor zwei Jahren sogar zu dem Vorschlag angeregt, mehreren Millionen Tonnen Schwefel bewusst in der Atmosphäre freizusetzen, um die globale Erwärmung aufzuhalten. Dieser Vorschlag ist in der Wissenschaft allerdings stark umstritten, würden die Sulfate doch gleichzeitig zu einem beschleunigten Abbau des atmosphärischen Ozons beitragen.

 

Weiterführende Quellen:

  • Aerosol radiative forcing and climate sensitivity deduced from the Last Glacial Maximum to Holocene transition, Abstract, GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS, VOL. 35, L04804, doi:10.1029/2007GL032759, 2008. Link
  • Der Staub, der aus der Kälte kam, Universität Bern, Link
  • IPCC Fourth Assessment Report, Link
  • Gib dem Klima Saures, Die Zeit Nr. 35/2006, Link