Hurrikane in Europa?
Die Hurrikansaison ist im Herbst traditionell auf seinem Höhepunkt. Können besonders starke Wirbelstürme dabei auch Europa erreichen? Wenn ja, in welcher Form? Oder beeinflussen sie unser Wetter überhaupt nicht?
In Mitteleuropa hat sich heute ein recht markanter Wetterwechsel vollzogen. Auf der Rückseite der Kaltfront von Nordmeertief "Grainne" konnte mit der resultierenden Nordwestströmung maritime Polarluft einfließen (siehe Abbildung 1), so dass die Höchstwerte in Deutschland deutlich unter den Werten der letzten beide Tage liegen. Während gestern und vorgestern noch örtlich über 30°C erreicht wurden, reicht es heute nirgendwo mehr annähernd für 20°C. Doch man erkennt auf der Frontenanalyse der FU-Berlin (Abbildung 1) noch ein weiteres interessantes Detail. Die Hochs und Tiefs werden normalerweise über die Aktion Wetterpate direkt an der FU vergeben.
Dies ist beim Tief vor Grönland aber offensichtlich nicht der Fall. Stattdessen weist der Name ex-LESLIE auf seine einstige Identität als Hurrikan LESLIE hin. Abbildung 2 verdeutlicht die Lebensgeschichte dieses Hurrikans, der über dem zentralen Atlantik knapp nördlich des Äquators entstanden war. Zunächst zog er in Richtung Karibik, wurde aber glücklicherweise vor einem möglichen Landgang in den nordwestlichen Atlantik abgedrängt. Der gelbe Schatten stellt die vorhergesagte Zugbahn des Tiefzentrums in den nächsten drei Tagen dar. Mehr dazu auf unserem Tool auf unserer Seite über Tropische Stürme.
Auf dem Weg nach Norden wurde der einstige Hurrikan von den Strömungsmustern der gemäßigten Breiten quasi eingefangen. Spätestens wenn dieser den Bereich der Westwinddrift erreicht, beginnt eine oftmals schnelle Verlagerung stromabwärts und zugleich eine allmähliche Umwandlung von einer tropischen in eine außertropische Zyklone. Die besonderen Eigenschaften einer tropischen Zyklone kann man dabei eingangs noch sehr schön erkennen. Besonders auffällig ist hierbei der sehr wärme Kern von ex-LESLIE (Abbildung 3 und 4).
Zudem sieht man etwas weiter südöstlich einen zweiten ehemaligen Hurrikan mit ex-MICHAEL, der allerdings deutlich schwächer ist. Dessen Lebenslauf zeigt Abbildung 5. Durch ihr Entstehungsgebiet über dem warmen Zentralatlantik konnten sich die Hurrikane mit sehr energiereicher Luft anreichern. Ein Großteil dieser Energie wird nun weit nach Norden transportiert, was in den Abbildungen 6 und 7 anhand der hohen Theta-E-Werte sehr gut erkennbar ist.
Auswirkungen der ehemaligen Hurrikane auf Europa
Ehemalige Hurrikane sorgen also für einen effektiven Energieaustausch zwischen den Tropen und den gemäßigten Breiten. Gleichzeitig wird dadurch auch die Strömungskonstellation verändert, denn der Wärmetransport unterstützt den Aufbau eines Hochdruckkeils über dem Nordostatlantik. Weiter stromabwärts über Mitteleuropa kann sich der zugehörige Langwellentrog ebenfalls verstärken.
Genau dieser Prozess ist derzeit auch Schuld für das frühherbstliche Wetter. Allerdings wird damit trotzdem noch nicht der Herbst eingeleitet, denn diese Strömungskonstellation ist nicht stabil, sondern progressiv. Das bedeutet, dass sich der Langwellenkeil vom Nordostatlantik langsam weiter nach Mitteleuropa verlagert und die Frontalzone, an der sich die dynamischen Tiefdruckgebiete bilden, gleichzeitig nach Norden verschoben wird. Dementsprechend sieht der Wettertrend für Deutschland ab dem Wochenende wieder steigende Temperaturen vor, wie man auf der Ensembledarstellung in Abbildung 8 gut sieht. Mehr dazu auf unserer Seite über Ensembleprognosen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Hurrikane Europa zwar nicht direkt erreichen können, jedoch als umgewandelte außertropische Zyklone unser Wetter direkt beeinflussen und verändern. Gleichzeitig werden die Vorhersagen durch den Einfluss der Hurrikans im Mittelfristzeitraum fehleranfällig, da die genauen Zugbahnen der tropischen Zyklonen und deren Eintreffen in der Zirkulation der mittleren Breiten recht schwer vorherzusagen sind.