Dschungelsommer?

Momentan hört man in den Medien häufig das Schlagwort "Dschungelsommer" - was ist dran?

Wir erwarten einen "Dschungelsommer" - so wird derzeit in manchen Zeitungen geschrieben und auch in anderen Medien berichtet. Dabei soll es viel Regen und Unwetter geben, auch von Tornados ist die Rede. Ist das Wetter der nächsten Zeit tatsächlich mit den Verhältnissen im Dschungel vergleichbar? Das schauen wir uns nun an:

Typische Dschungel-Bedingungen
Schauen wir uns zunächst an, was überhaupt genau der Dschungel ist. Während landläufig dabei jede Form des Tropischen Regenwaldes als Dschungel bezeichnet wird, sind dabei eigentlich die dicht wachsenden Wälder in der Monsunzone in Südostasien gemeint. In den anderen Regionen mit tropischem Regenwald, zum Beispiel im Amazonasbecken, gibt es keine so großen jahreszeitlichen Niederschlagsschwankungen. Nur so kann der typische Regenwald entstehen. Die verschiedenen Vegetationsstockwerke des Dschungels entstehen dagegen durch die über das Jahr unterschiedlichen Regenzeiten durch den Monsun. Beispielsweise kennen Thailand-Urlauber eine kleine und eine große Regenzeit, die kleine in unserem Frühling bzw. Frühsommer und die Hauptregenzeit in unserem Herbst.

Ein typischer Tag im Dschungel
Einen "Sommer" gibt es im Dschungel ohnehin nicht. In Äquatornähe hat man kein Jahreszeitenklima, sondern ein Tageszeitenklima. Gemeint ist damit ein typischer und durch das Jahr ähnlicher Ablauf der Wettererscheinungen, hervorgerufen durch die intensive Sonneneinstrahlung, die dort nur kleinen Schwankungen innerhalb des Jahres unterliegt.

Ein typischer Dschungeltag beginnt dabei an allen Tagen im Jahr ähnlich bei Nebelschwaden und Temperaturen von meist etwas über 20°C. Die Nebelfelder lösen sich auf, und bis zum Mittag wird es drückend schwül-heiß mit Höchsttemperaturen rund um die 30-Grad-Marke. Nun ist ein enormer Energiegehalt in der Atmosphäre, und Wolkentürme wachsen weit in die Höhe. Am Nachmittag folgen dann wolkenbruchartige Gewitter, die im Laufe des Abends nachlassen. In der Nacht geht die Temperatur wieder auf Werte meist zwischen 25 und 20°C zurück, und es entstehen Nebelfelder.

Was hier also fehlt, ist der regelmäßig wiederkehrende Luftmassenwechsel, den wir aus unseren Breiten kennen. Oft ist es beispielsweise so, dass sich nach Schauern oder Gewittern die Luft abkühlt, auf der Rückseite von Tiefdruckgebieten folgt dann Schauerwetter bei guter Sicht und deutlicher Abkühlung in der Nacht. Dieses jedoch ist das typische Wetter für unser gemäßigtes Klima unserer Westwindzone, wo Vorstöße polarer Luft von Norden und subtropischer Luft von Süden sich die Klinke in die Hand geben. Das Wechselhafte ist also für unsere geographische Breite charakteristisch.

Schwüle Hitze wie im Dschungel?
Was könnte also mit dem Dschungelsommer gemeint sein? Denkt man an Dschungel, denkt man zuerst an Schwüle. Und in der Tat konnte man sich in den letzten Tagen auf der Vorderseite der Tiefs über Westeuropa zeitweise wie im Dschungel fühlen. Teilweise hatten wir es ja auch mit tropischen Nächten zu tun, also Nächten, in denen die Temperatur nicht unter 20°C sank. Dieses ist dann auch am Donnerstag oder Freitag wieder möglich, vor allem in der Südosthälfte Deutschlands innerhalb der schwül-warmen Luft.

Doch in Sachen Ausdauer und Intensität dieser Schwüle bestehen noch große Unterschiede. Als Vergleich sehen wir in den Abb. 2 und 3 die so genannten äquipotenziellen Temperaturen für Europa und Mittel- und Südamerika für Donnerstag, 20 Uhr unserer Zeit. Dabei handelt es sich um ein Maß für den Energiegehalt, das sich aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit zusammensetzt, die höchsten Werte zeigen also auch gleichzeitig die größte Schwüle an. Wir sehen: Selbst die lokalen Spitzenwerte in Deutschland sind eher die niedrigeren Werte rund um den Amazonas.

Wäre es hier wie dort, so würden für das gesamte Europa Unwetterwarnungen vor großer Schwüle ausgesprochen werden, auf unbestimmte Zeit. Davon sind wir jedoch weit entfernt, im Gegenteil: Es sieht laut Ensembleprognose eher danach aus, als ob wir zum Monatsmittel Temperaturen erwarten dürfen, die unter den langjährigen Normalwerten liegen könnten (Abb. 4). Apropos: die mittleren Höchsttemperaturen liegen beispielsweise am Golf von Thailand durchweg über 30°C.

Niederschlag wie im Dschungel?
Als nächstes sind die Regengüsse charakteristisch, die wir zu erwarten hätten. Auch von diesen sind wir selbst im schlimmsten Fall weit entfernt. Hier wieder ein aktuelles Beispiel: Man vergleiche die Prognose der Niederschlagssumme bis in die Nacht zum kommenden Mittwoch, 11.07.12, zwischen Europa und Südostasien. Es fällt sofort auf, dass selbst an der Luftmassengrenze zwischen der Schweiz, Tschechien und dem Baltikum allenfalls lokal die Werte erreicht werden, die im Dschungel verbreitet auftreten. Wäre das Gebiet mit Niederschlagssummen über 75 Liter pro Quadratmeter in Europa so groß wie in Abb. 6, so müsste man die voraussichtlichen Unwetterwarnungen vor Starkregen auf eine Fläche zwischen Sizilien und Stockholm ausdehnen.

Auch ein Blick in die Statistik zeigt, dass wir in Sachen Niederschlag höchstens im Extremfall Dschungel-Verhältnisse erreichen werden: die nassesten Sommermonate seit Wetteraufzeichnungen liegen in Berlin-Dahlem um 200 Liter pro Quadratmeter, das entspricht etwa dem Durchschnitt in Äquatornähe (Abb. 7).

Unwetter wie im Dschungel?
Bei den Berichten über den voraussichtlichen Dschungelsommer wird zudem von möglichen Unwettern mit Hagel, Starkregen, Sturmböen und Tornados gesprochen. Abgesehen von den oben besprochenen Starkniederschlägen treten aber gerade Tornados oder großer Hagel am Äquator nicht auf. Denn zu den Zutaten eines Gewitters, das dieses produzieren kann, gehören vor allem die unterschiedlich beteiligten Luftmassen, die eine ausreichende Labilität und mit der Windscherung entsprechende Verhältnisse erzeugen können. Diese sind aber gerade am Äquator nicht vorhanden: die feucht-warme Luft steigt in Äquatornähe auf, und sie sinkt bei etwa 30° N und S wieder als trockene Luft in den Subtropen ab, wird anschließend mit den Passatwinden wieder mit Feuchtigkeit angereichert und erreicht schließlich wieder den Ausgangspunkt. Der typische Luftmassenwechsel aus unseren Breiten bleibt daher aus.

Fazit: Kein Dschungelsommer
Es bleibt also festzuhalten, dass unser Sommer nicht mit den Verhältnissen im Dschungel verglichen werden kann. Lediglich zeitweilige Starkniederschläge und schwüle Luft lassen uns für kurze Zeit erahnen, wie es sich dort jeden Tag anfühlt. Hagel, schwere Sturmböen oder gar Tornados entstehen bei uns durch das Aufeinandertreffen verschiedener Luftmassen, dieses kommt in einem Dschungel nicht vor. Selbst die empfundene Schwüle reicht nicht an tropische Verhältnisse heran.

Und schauen wir in die weitere Zukunft, so ist demnächst eher mit Temperaturen zu rechnen, die um oder zeitweise sogar unter den für unsere Breiten üblichen Werten liegen. Dementsprechend erleben wir derzeit einen typisch wechselhaften Sommer im gemäßigten Klima, der mehr dem Standardfall entspricht wie beispielsweise ein Hitzesommer im Jahr 2003.