Eine kleine Europareise
Allgemein interessieren wir Meteorologen uns ja nicht nur für das Wetter vor der Haustür, sondern blicken - allein schon wegen der Vorhersage, wie kalt, nass oder windig es in den nächsten Tagen wird - gerne auch über den berühmten Tellerrand. Erst recht bietet sich ein solcher Blick an, wenn es (wie im Moment) hierzulande eher unspektakuläres Wetter gibt.
Zwei Tiefs und ein Hoch bestimmen das Wetter in Europa
Der höchste Luftdruck wurde heute früh mit über 1050 hPa über Skandinavien und Finnland gemessen. Das umfangreiche Hochdruckgebiet ERIKA hat sich über Nordeuropa eingenistet. Über dem zentralen bis westlichen Mittelmeerraum befindet sich der Wirbel OLLI; dieses Tiefdruckgebiet liegt mit seinem Zentrum (Kerndruck unter 1010 hPa) derzeit über Sardinien. Ein weiteres Tief namens NIKLAS ist bei Island zu erkennen, wobei der Luftdruck im Nordwesten Europas über eine weite Strecke (von der Nordwestküste Islands bis einige Hundert Kilometer westlich von Irland) im Bereich knapp unter 1005 hPa liegt.
Die beiden Tiefdruckgebiete sind gut anhand der hellen Wolkenstrukturen im Satellitenbild zu erkennen. Dabei fällt beim Tief OLLI die eher kleinräumige, spiralförmige Struktur der Bewölkung auf. Dagegen ist vom Kernbereich des Tiefs NIKLAS ein über mehrere Tausend Kilometer weit nach Süden (bis vor die nordwestafrikanische Küste) reichendes Wolkenband (eine Okklusionsfront = Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften) zu sehen. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass sich auch in den Regionen, die nahe am Hochdruckzentrum von ERIKA liegen, Wolken befinden. Diese sind aber oft eher hochnebelartig, teils handelt es sich auch um "echten" (am Boden aufliegenden) Nebel.
Ungemütliches Wetter in einigen Mittelmeerregionen
Wer denkt, er oder sie könnte derzeit überall am Mittelmeer ruhiges und frühlingshaftes Wetter erleben, wird sich getäuscht sehen - zumindest am zentralen und westlichen Mittelmeer im Einflussbereich des Tiefs OLLI.
Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis heute früh, 7 Uhr, zeigen vor allem im Osten Korsikas teils unwetterartige Werte. So kamen stellenweise über 100 Liter pro Quadratmeter zusammen. In Solenzara an der Ostküste fielen heute früh in einer Stunde 29 l/m²; in 24 Stunden gab es 104 l/m². In Oletta im Norden der Insel regnete es über mehrere Stunden mit rund 10 l/m² pro Stunde; die 24-stündige Summe lag dort bei 126 l/m².
Auch der Wind war in einigen Regionen Südeuropas ein Thema. So gab es in den letzten 24 Stunden in Südfrankreich gebietsweise (teils schwere) Sturmböen. In exponierten Lagen erreichte der Wind in Spitzen sogar volle Orkanstärke. Erwähnt seien hier das Cap Bear an der Küste nahe der Grenze zu Spanien mit maximal 154 km/h sowie der 1567 m hohe Mont Aigoual im Zentralmassiv mit bis zu 137 km/h. In Vives, einige Kilometer landeinwärts vom Cap Bear, reichte es für orkanartige Böen (11 Beaufort, 105 km/h).
Von frühlingshaft mildem Wetter bis Eisschrank - alles dabei in Europa
Werfen wir nun noch einen Blick auf einige interessante Temperaturwerte in Europa, und fangen mit den Höchstwerten von gestern an. Im Bereich des Hochs ERIKA in Nordskandinavien und -finnland gab es teils strengen Dauerfrost mit -10°C und kälter. Auch der Einfluss des Golfstromes ist gut zu sehen, denn entlang der norwegischen Küste gab es vielerorts zumindest leichte Plusgrade. Auch in Osteuropa - kontinental geprägt und am Rand von Hoch ERIKA mit kalter Luft ausgestattet - gab es mancherorts eine Höchsttemperatur, die Kühlschränke bildlich gesprochen in den Schatten stellt.
Entlang des Mittelmeers gab es von der südlichen Türkei über einige Regionen Griechenlands und Süditaliens bis in den Süden der Iberischen Halbinsel immerhin 15°C oder mehr; die Wetterstation Torrox, Faro in Andalusien stellte mit 21,3°C den mildesten Ort Europas dar. Im Norden Spaniens, vor allem abseits der Küste der Biskaya, ist definitiv noch warme Kleidung bei häufig einstelligen Höchstwerten angesagt. Auf der Vorder(= Ost-)seite der zuvor angesprochenen Okklusionsfront des Tiefs NIKLAS wurde recht milde Luft weit nach Norden geführt, so dass Island nicht nur weitgehend frostfrei blieb, sondern im Norden der Insel (einerseits dank des Golfstromes, andererseits möglicherweise auch durch föhnartige Effekte) sogar eine Höchsttemperatur im zweistelligen Bereich gemessen wurde - und das nahe am Polarkreis!
Für Freunde des Winters und der Kälte lohnt sich ja oft in Blick in den Nordosten Europas nach Nordskandinavien und -russland. Man wurde diesbezüglich bei den Tiefstwerten der vergangenen Nacht auch nicht enttäuscht. In Kautokeino im norwegischen Teil von Lappland sank die Temperatur auf -32,6°C; in Drevsjo im Süden des Landes wurden beachtliche -30,5°C erreicht. Der kälteste Ort in Europa war aber das russische Krasnoufimsk in der Oblast Swerdlowsk am Westrand des Uralgebirges, wo der Tiefstwert bei -37,3°C lag.
Doch nicht überall in Nordrussland war es so frostig: Nordöstlich der am Weißen Meer befindlichen Stadt Archangelsk sowie an der Barentssee gab es einige Orte, die eine Tiefsttemperatur von rund 0°C verzeichneten - ausgesprochen mild also gegenüber den am Ural gelegenen Orten und teils sogar frostfrei.