Stratosphäre und Meer
Die Ozeane bedecken den Großteil unseres Planeten. Ihre Strömungen und damit der Wärmetransport sind maßgeblich für unser Klima verantwortlich. Nun ist es Forschern gelungen, eine Kopplung zwischen den Strömungen des Nordatlantik und der Stratosphäre in 15 bis 50 km Höhe nachzuweisen. Wir spekulieren weiter...
Die nun entdeckte Kopplung zwischen den Meeresströmungen und der Stratosphäre, also dem Bereich unmittelbar oberhalb der Tropopause, bis zu dem sich hauptsächlich unser Wetter abspielt, könnte dabei periodische Strömungsmuster wie die etwa im Zehnjahres-Rhythmus alternierende Nordatlantische Oszillation (NAO) erklären. Damit wäre ein neuer Aspekt hinzugekommen, der in Klimamodellen für die Prognosen berücksichtigt werden müsste.
Bekannt war bisher, dass die Stratosphäre unmittelbar die darunter liegende Troposphäre und damit unser Wetter beeinflusst. Bekannt ist ebenso, dass die Meeresströmungen auf die Temperaturen an der Oberfläche reagiert. Der Nachweis, dass es eine Kopplung von allen drei Elementen gibt, ist dabei der eigentliche Durchbruch der Arbeit, die Forschungsleiter Thomas Reichler von der University of Utah, Salt Lake City, berichtete. Seine Ergebnisse sind in dem Fachjournal "Nature Geoscience" am 23. September 2012 erschienen.
Für den Nachweis wurden Messdaten der vergangenen 30 Jahre verglichen sowie mittels Computermodellen die letzten 4000 Jahre der Meeresströmungen sowie der Stratosphäre simuliert. Dabei kommt jetzt der Begriff des "Polarwirbels" ins Spiel.
Der Polarwirbel
Der Polarwirbel ist ein teils kräftiger, meist gegen den Uhrzeigersinn um die Arktis drehender Wind, der am kräftigsten bei 60° nördlicher Breite in den Wintermonaten ist. Ist er stabil, so wehen dort beständige Winde von knapp 130 km/h in Höhen von 25 bis 50 km. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass dieser Polarwirbel sich spontan abschwächt, in zwei Wirbel zerfällt oder sogar seine Richtung umkehrt.
Insbesondere ist dieses der Fall bei einer plötzlichen Erwärmung, einer "sudden stratosphere warming". Diesen Effekt hatten wir im Rahmen der Wetter News über das SSW bereits 2009 behandelt. Es hat entscheidenden Einfluss auf unsere Wintermonate in Mitteleuropa - ein stabiler Polarwirbel bedeutet meist eine starke Westdrift und häufiger milde Winter, bei einem SSW steigt die Wahrscheinlichkeit für große Abweichungen von den Durchschnittstemperaturen, also teils sehr milde oder auch sehr kalte winterliche Phasen, deutlich an. So traten in den 1980er sowie in den 2000er Jahren häufig plötzliche Stratosphärenerwärmungen auf, in den 1990er Jahren allerdings keine (wir erinnern uns: die meisten Winter in den 90er Jahren waren in Deutschland mild, dagegen gab es einige kräftige Winter in den 80er sowie 2000ern).
Zurück zum Meer: Die Ergebnisse zeigen, dass diese periodisch auftretenden Abschwächungen des Polarwirbels mit langlebigen Veränderungen der Meeresströmungen im Nordatlantik in Verbindung bringen lassen. Wie wir wissen, ist der Golfstrom bzw. Nordatlantikstrom für unser Klima in Europa entscheidend verantwortlich.
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Über Fernwirkung haben gerade die Meeresströmungen des Atlantiks zudem auch einen großen Einfluss auf das Klima weltweit. Nun konnte gezeigt werden, dass in den 1980er und 2000ern auch Golfstrom und Nordostatlantikstrom schwächer ausgeprägt waren.
Achillesferse Südgrönland
Die Forscher betrachteten insbesondere den Bereich bei Südgrönland, da dieser besonders sensibel auf Temperaturänderungen reagiert, sie nennen ihn auch die "Achillesferse". Denn es ist der Bereich, in dem sich das Oberflächenwasser ausreichend abgekühlt hat und der Salzgehalt so weit gestiegen ist, dass es abzusinken beginnt. Wie schnell und wie intensiv die Absinkvorgänge sind, hängt dabei maßgeblich von der Temperatur an der Oberfläche ab, die wiederum mit der Nordatlantischen Oszillation gekoppelt ist, die wiederum mit der Stärke des Polarwirbels in der Stratosphäre gekoppelt ist. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand der Simulationen über die letzten 4000 Jahre ebenfalls bestätigen.
Sonnenschwankungen = Klimaschwankungen?
Gehen wir noch etwas weiter - wir hatten schon beim Thema des sudden stratospheric warming über die Ursachen der Schwankungen des Polarwirbels spekuliert. Antrieb für den Polarwirbel ist ein ausreichender Temperaturunterschied innerhalb der Stratosphäre. In den Sommermonaten wird dieser Bereich durch das von der Sonne kommende UV-Licht über das in diesem Bereich angesammelte Ozon erwärmt, welches in der Polarnacht fehlt. Ist die Sonne also besonders aktiv, so schwächt dies den Polarwirbel und umgekehrt.
Mit dieser Forschung würde dies also auch bedeuten, dass die Sonnenaktivität, die ebenfalls periodisch hoch und niedrig ist, was besonders für den UV-Anteil des Lichtes gilt. Damit würde die Sonne über Wechselwirkungen die Meeresströmungen beeinflussen und hätte einen noch größeren Einfluss auf die (natürlichen, nicht vom Menschen verursachten) Klimaschwankungen als bisher gedacht.