Was ist Schnee?
In den Alpen gab es in diesem Jahr reichlich davon, weiter nördlich war der Winter bisher eher zurückhaltend damit: Schnee! Doch was ist eigentlich Schnee? Wie sieht er von nahem aus? Und stimmt es wirklich, dass es keine zwei identischen Schneeflocken gibt?
Die Schönheit des Schnees
Wahrscheinlich haben viele von uns bereits davon in der Schule gehört: Schneeflocken, ganz aus der Nähe betrachtet, haben eine wunderschöne Form mit sechs Armen. Schon seit langer Zeit sind Fotografen und Forscher von den Formen des Schnees fasziniert. Wilson Bentley, ein Landwirt, hat bereits um die Jahrhundertwende hin zum 20. Jahrhundert über 5.000 verschiedene Formen fotografisch festgehalten (Abb. 1).
Es gibt in Abhängigkeit von Temperatur- und anderen Bedingungen verschiedene Stadien und Formen von Schnee, angefangen von den einfachsten Eiskristallen bis hin zu den komplexesten Sternstrukturen. Hier ein paar Beispiele:
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Um zu verstehen, wie Schneeflocken entstehen, betrachtet man sich am besten ihre Entstehungsgeschichte:
Der Lebenszyklus einer Schneeflocke
Alles beginnt mit Wasserdampf. Er ist zunächst unsichtbar in unserer Luft vorhanden und stammt von Ozeanen, Flüssen, Seen und Pflanzen. Kühlt man ein solches Luftpaket ab, so erreicht man irgendwann den Punkt, an dem die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist - kühlt man weiter ab, kondensiert der Wasserdampf an kleinen Staubteilchen (Kondensationskernen) zu winzig kleinen Wassertröpfchen. Diese kennt man beispielsweise als Tau auf einer morgendlichen Wiese.
Eine Wolke ist nun nichts anderes als eine enorme Anzahl dieser kleinen Wassertröpfchen. Da diese in Ruhe abkühlen können, sind diese selbst bei Temperaturen unter 0°C noch flüssig, man sagt dazu auch unterkühltes Wasser. Erst bei Temperaturen unter -10°C beginnen die Tröpfchen zu gefrieren, jedoch nicht alle gleichzeitig, sondern allmählich nacheinander.
Bei dem Prozess des Gefrierens wird aus physikalischen Gründen Wärme frei, wodurch die Temperatur in unmittelbarer Umgebung der Eispartikel leicht steigt. Dadurch können die winzigen Wassertröpfchen zu Wasserdampf verdunsten, dieser resublimiert (direkter Übergang von Wasserdampf zu Eis) aber gleich wieder auf den winzig kleinen Eispartikeln, welche dadurch anwachsen, bis sie dann aufgrund ihres Gewichtes mit im Mittel 4 km/h zur Erde sinken.
Schnee hat also nichts mit gefrorenen Wassertröpfchen zu tun, sondern mit Kristallwachstum aufgrund einer Kette von physikalischen Prozessen an einem gefrorenen Eispartikel. Nur so erklärt sich die Form der Schneeflocken.
Formen des Schnees
Die Formen des Schnees reichen hin von einfachsten Plättchen bis hin zu den schönsten und komplexesten Formen. Die Grundform des Schnees ist aber ein plättchenförmiger Eiskristall. Wie in Abb. 2 zu sehen, erkennt man dort bereits die sechseckige Kantenform.
Diese erklärt sich aus der Kristallgitter-Struktur der Wassermoleküle. Da natürlich vorkommendes Wasser zu einer hexagonalen Kristallklasse gehört, folgt daraus schlussendlich die sechskantige Struktur. Diese ist Grundvoraussetzung für die sechsarmige Form der Schneeflocken.
Ist die (Minus-)Temperatur dann hoch genug, so fallen nicht nur diese Kristalle oder Prismen aus den Wolken, sondern es bilden sich so genannte Dendriten aus, die typischen sechsarmigen Sterne, mit der Kinder auch häufig die Schneeflocken malen. Doch wie entstehen nun die vielfältigen Formen dabei?
Während die wachsenden Eiskristalle durch die Luft gen Boden fallen, bilden sich bei weiterem Wachstum Arme an den sechs Kanten der Kristallplättchen. Dieses Gebilde wird nun hin und her durch die Luft befördert, kann sogar kurzzeitig noch einmal steigen. Dabei herrschen immer wieder leicht veränderte Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen. Da das Kristallwachstum stark von Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängt, bilden sich bei diesem im Detail chaotischen Weg die Arme immer wieder in ganz unterschiedlicher Art und Weise aus. Die gleiche Länge der "Schneeflocken-Arme" erklärt sich dabei nur daher, dass über die kleine Ausdehnung der Flocke hinweg die Bedingungen annähernd gleich sind.
Übrigens sind die Schneeflocken längst nicht immer symmetrisch. Die übliche Form einer Schneeflocke hat in den meisten Fällen abgesehen von den sechs Armen mit Symmetrie wenig zu tun, wie man sich beim nächsten Schneefall selbst überzeugen kann, wenn man genau hinsieht. Es ist nur so, dass die "symmetrischsten" Schneeflocken wegen ihrer Schönheit am liebsten abgebildet werden. Doch zum Schluss noch zur Frage aller Fragen:
Stimmt es, dass es keine zwei gleichen Schneeflocken gibt?
Diese Frage lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit beantworten, da niemand jemals alle Schneeflocken, die gefallen sind, verglichen haben kann. Man kann jedoch eine physikalische Aussage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit machen.
Demnach ist es nahezu ausgeschlossen, dass es exakt gleiche Schneeflocken gibt. Dies liegt an der hohen Anzahl der unterschiedlichen Kombinationen von Merkmalen, die bei der Bildung einer Schneeflocke beteiligt sind. Selbst die kleinste Form der Schneeflocke besteht bereits aus 10^18 Wassermolekülen (eine Eins mit 18 Nullen), davon 10^14 Deuterium-Atome. Schaut man sich eine Schneeflocke im gewöhnlichen Mikroskop an, so ist man schon im Bereich von hundert Eigenschaften, mit denen kombiniert werden kann. Und hat man 100 verschiedene Eigenschaften, die frei veränderbar sind, so kommt man auf 10^158 Möglichkeiten (eine Eins mit 158 Nullen), das ist 10^70 Mal mehr als die Anzahl aller Atome im Universum!
Von daher ist es beinahe ausgeschlossen, dass jemals zwei komplexe Schneeflocken in der gesamten Erdgeschichte gleich ausgesehen haben.