Unwetter in Ligurien
Überschwemmungen, Erdrutsche und Schäden in Millionenhöhe, das ist die derzeitige Bilanz eines verheerenden Unwetters, das gestern in der italienischen Region Ligurien getobt hat. Der Flughafen Genua musste zeitweise gesperrt werden, der Bürgermeister des am schlimmsten betroffenen Ortes Varazze hat die Regierung um Unterstützung angerufen. Ängste vor einem ähnlichen Hochwasser wie vor 40 Jahren werden wach.
Über 300 Liter pro Quadratmeter
Tief Nicole hinterlässt Schlammlawinen, Geröllhalden und übereinander gestapelte Autos in der Region Ligurien direkt an der Riviera di Ponente. Über Stunden schüttete es ohne Pause bis Montagmittag - und nach einer Ruhephase am Nachmittag folgten zum Abend kräftige Schauer und Gewitter mit Sturmböen nach. Während dabei offizielle Wetterstationen (Passo dei Giovi) bereits 6-stündige Niederschlagsmengen von 119 Litern pro Quadratmeter vermelden (Abb. 2), sprechen Berichte lokaler Medien von über 300, die niederprasselten. Das ist etwa die Hälfte des Niederschlags, der in Berlin durchschnittlich im gesamten Jahr fällt.
Dabei verwandelten sich insbesondere die Straßen des gebirgigen Hinterlandes - hier erstrecken sich die Ausläufer der Alpen und des Apennin - in reißende Schlammfluten. Besonders betroffen war hier die Provinz Savona und hier wiederum die beiden Ortschaften Varazze und Cogoletto (Abb. 3), wie durch ein Wunder kam bisher niemand ums Leben. Helferteams aus Florenz, Pistoia und Massa sind derzeit mit Kanus und Amphibienfahrzeug unterwegs. Ein Leitzentrum des Katastrophenschutzes wurde in Genua und Savona installiert, um die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Die folgenden Videos sprechen dabei eine eindeutige Sprache:
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Wie hier zu sehen, war auch die größte Stadt Genua betroffen. Hier musste der Flughafen zeitweise gesperrt werden, auch der Bahnverkehr war erheblich gestört. Vier Flüsse sind in der Stadt über die Ufer getreten. Nun werden Ängste wach, dass sich das katastrophale Hochwasser vom 7. bis 9. Oktober 1970, also fast genau vor 40 Jahren, wiederholen könnte. Damals fielen über 500 Liter pro Quadratmeter Niederschlag in 18 Stunden, und eine zwei Meter hohe Flutwelle strömte durch die Stadt und riss Tiere, Busse, Menschen und Bäume mit sich. 37 Menschen wurden getötet oder sind vermisst, 1650 wurden obdachlos. Der Schaden belief sich auf knapp 200 Millionen Euro.
Wie kam es zu den Unwettern?
Ursache ist ein Bereich kälterer Luft in höheren Luftschichten, der sich von dem Islandtief abgeschnürt hat und als eigenständiges so genannte Höhentief zunächst von den Britischen Inseln in Richtung Frankreich entlangzog (Abb. 4). Da die Luft in der Höhe also kälter ist als die darunter befindliche, steigt die bodennahe Luft auf, und der Luftdruck sinkt hier. Das dazugehörige Bodentief bekam dann den Namen Nicole und ist mit seinen Ausläufern in Abb. 5 zu erkennen. Markiert wurde hier der weitere Zugweg, den das Tief von gestern bis zum heutigen Dienstag, den 05.10.2010, nahm und nehmen wird.
Auf der Vorderseite dieses Bodentiefs wurde dabei sehr feucht-warme, also mit einem hohen Wassergehalt versehene und energiereiche Luft herangeführt. Diese Luftmasse wird bei der so genannten äquipotenziellen Temperatur in Abb. 6 in Form von rot gefärbten Flächen erkennbar.
Da das zugehörige Höhentief nur sehr langsam weiter zog, kam es zu dementsprechend langsam ziehenden Schauern und Gewittern. Dies erklärt die stundenlangen sintflutartigen, schauerartig verstärkten Regengüsse. Doch damit nicht genug: Nachdem die Kaltfront des Tiefs durchgezogen war, kam es dann noch zu einzelnen Schauern und Gewittern. Diese konnten dann den sehr kräftigen Höhenwind (Pfeil in Abb. 4) in Form von kräftigen Sturmböen (Abb. 7) auf die Erde befördern, sodass es nicht nur die Probleme durch die Fluten, sondern auch durch Sturmschäden gab. Auch heute werden die Flusspegel in der Region noch genau überwacht.