Immer mehr Katastrophen?

Die 'Munich Re' registrierte die bisher zweithöchste Anzahl an Extremwetter-Katastrophen - Klimawandel?

21.000 Menschenleben und 48 Milliarden Euro haben Extremwetter-Ereignisse laut dem Rückversicherer Munich Re gefordert. Die zweithöchste Zahl seit 1980. Wie kommt es zu der diesjährigen Anhäufung an wetterbedingten Naturkatastrophen?

Fluten und Hitze
Auch bei uns in Deutschland ist in diesem Jahr eine ungewöhnliche Anhäufungen von Hochwasser-Ereignissen zu registrieren. So bangen einige Anwohner in Ostsachsen und dem südlichen Brandenburg schon wieder mit dem Hochwasser um ihr Hab und Gut. Und das, nachdem die Folgen der schweren Überschwemmungen an der Lausitzer Neiße noch nicht vollständig aufgeräumt wurden. 

Gut in Erinnerung sind aber auch noch die weitaus dramatischeren Folgen extremen Monsunregens in Pakistan mit über 1000 Todesopfern, die Munich Re spricht von 1.760. Hier stand ein Fünftel des gesamten Landes für Wochen unter Wasser (Abb. 2).

Hinzu kommt die extreme Hitzewelle in Russland, gefolgt von den schweren Waldbränden im August. Nach Angaben des Radiosenders NDR Info (07.08.10) war die Sterblichkeit um 50% höher als sonst in diesem Monat. Es kam massiv zu Kreislaufbeschwerden. Hitzerekorde gibt es auch aus Nordamerika. Neben New York wurde jüngst am Montag (27.09.10) ein neuer Hitzerekord in Los Angeles mit 45°C aufgestellt (siehe auch Abb. 3 und 4).

Traurige Bilanz
Die Rückversicherung Munich Re, eine Versicherung, bei der sich andere Versicherungen gegen finanzielle Ausfälle schützen, ist dabei in besonderer Form wirtschaftlich von Unwetter-Ereignissen auf der ganzen Welt betroffen.

Sie hat in dem Jahr 2010 nach eigenen Presseangaben bisher 725 wetterbedingte Schäden registriert. Dies ist die zweithöchste Zahl seit dem Jahr 1980. 21.000 Menschen mussten bis dato dabei ihr Leben lassen. Der gesamtwirtschaftliche  Schaden beläuft sich auf 65 Mrd. US-Dollar (48 Mrd. Euro), versichert hiervon 18 Mrd. US-Dollar (13 Mrd. Euro). Worauf ist dieses außergewöhnliche Schadensjahr zurückzuführen?

Klimawandel?
Naheliegend ist dabei unmittelbar, dass der globale Temperaturanstieg hiermit in Zusammenhang zu bringen ist, wie es auch der Leiter der Georisikoforschung der Munich Re, Peter Höppe im ZDF betont:

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Belegt wird dies durch die jüngsten Daten der Globaltemperatur des National Climate Data Center (NCDC) aus den USA. Demnach ist die Globaltemperatur der Monate Juni bis August mit 16,2°C die zweithöchste hinter 1998 seit Aufzeichnungsbeginn und 0,64 Grad über der Mitteltemperatur des 20. Jahrhunderts (Abb.4). Aber wie lassen sich hiermit Unwetter erklären? 

Über Jetstreams und Meridionalität
Doch auch, wenn man intuitiv durch höhere Temperaturen auch mehr wetterbedingte Katastrophen vermutet, so muss ganz deutlich herausgestellt werden, dass viele Zusammenhänge wissenschaftlich noch nicht endgültig bewiesen sind. Konkret haben die Hitze in Los Angeles, der Überschwemmung in Pakistan, die Hitze in Russland und sogar schweren Regenfälle im Osten Deutschlands sowie die ungewöhnliche Kälte hierzulande einen gemeinsamen Nenner, und die ist in der Meridionalität des Jetstreams zu finden.

Was ist nun dieses? Wie an dieser Stelle schon häufig beschrieben, existieren in der höheren Atmosphäre mehrere Starkwindbänder, Jetstreams, die aus physikalischen Gründen an der Grenze der verschiedenen Luftmassen wehen (tropische Luft, subtropische Luft, polare Luft). Diese Jetstreams befinden sich in einer Höhe von über 9 Kilometern an der oberen Kante der so genannten Troposphäre (Tropopause), das ist der Bereich, in dem sich der Großteil unseres Wettergeschehens abspielt. Die Stärke des Jetstreams ist dabei abhängig von dem Temperaturunterschied zwischen Äquator und Pol, er ist im jeweiligen Winter daher stärker als im Sommer.

Zurück zum Begriff der Meridionalität. Man unterscheidet zwischen einer meridionalen und zonalen Strömung. Ist die Strömung zonal, so weht beispielsweise der polare Jetstream relativ glatt entlang der Breitengrade von West nach Ost. Genau so ziehen dann auch die Tiefdruckgebiete in diesem Bereich, für uns in Westeuropa folgt daraus recht unbeständiges Wetter, allerdings ohne große Temperaturabweichungen von den Normalwerten.

Bei meridionaler Strömung macht der Jetstream große Schlingerbewegungen entlang der Längengrade, verläuft also in Bögen mal weit nach Süden und weit nach Norden, so wie es auch die aktuelle Höhenkarte in Abb. 6 zeigt. Die Folge meridionaler Strömung sind blockierende Lagen: Entweder befindet man sich lange Zeit im Bereich eines Keils unter Zufuhr warmer Luft. Dabei sind lang anhaltende Hochdruckgebiete möglich, bei denen sich im Sommer durch die Sonneneinstrahlung die Luft immer weiter erwärmen kann (Russland im August). Oder man befindet sich in einem Trog mit polarer Luft, die Folge ist unbeständiges und häufig zu kühles Wetter, so wie wir es gegenwärtig erleben. Wichtig ist der Bereich zwischen Trog und Keil, auf der Trogvorderseite entstehen häufig kräftige Niederschlagsgebiete. Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit für Vb-Wetterlagen in Deutschland an.

Grund für die Unwetter
Damit haben wir auch einen konkreten "Schuldigen" für die ungewöhnlichen Wettererscheinungen - die auf der Nordhalbkugel in diesem Jahr extrem häufigen meridionalen Wetterlagen haben zu häufigen Kalt- und Warmluftvorstößen geführt mit den damit verbundenen Hitzeerscheinungen, entweder Hitze oder Kälte, Dürre oder Überschwemmung. 

Doch wie kommt es zu der häufigen Meridionalisierung? Hier könnte nun die Globaltemperatur ins Spiel kommen. Denn die globale Erwärmung ist nicht gleichmäßig, die Arktis erwärmt sich überproportional (Abb. 7), was daran liegt, dass die Eisfläche rückgängig ist, wodurch es zu einer positiven Rückkopplung kommt (Eis-Albedo-Rückkopplung). 

Durch eine wärmere Arktis ist aber das Temperaturgefälle von den Tropen in Richtung Nordpol geringer. Da dieser Unterschied im Sommer ohnehin schon geringer ist als im Winter (durch die Auskühlung der Troposphäre in der Polarnacht), wird die Höhenströmung dabei so schwach, dass sich besonders leicht blockierende Wetterlagen einstellen können. Es dürfte also bei steigender Temperatur häufiger zu blockierenden Hochs und damit zu Hitze und Dürre bzw. andernorts zu Starkregenereignissen und Überschwemmungen kommen. Die weitere Forschung in diesem Bereich dürfte jedenfalls spannend sein.