Unwetter-Nachlese

Unwetter haben Deutschland am Montag in Atem gehalten. Hier eine Zusammenfassung und Videosammlung

Im Laufe des Morgens am gestrigen 12.07.2010 färbte sich unsere Unwetter Karte lila ein. Einige Zeit später folgten dann heftige Gewitter, die für hohen Sach- und leider auch Personenschaden sorgten. Hier ein kleiner Überblick, und warum man nicht sicher weiß, ob es ein Tornado war, der Helgoland verwüstete.

Es begann mit einem so genannten MCS, einem "mesoskaligen konvektivem System", das am Montagmorgen von Frankreich in Richtung Benelux-Länder zog. 

Was ist ein MCS?

Auf dem Radar konnten wir dabei am Morgen sehen, wie sich in diesem MCS eine bogenförmige Struktur, ein so genanntes bow echo (Abb. 3 und 4) herausbildete, sodass wir in der MeteoGroup beschlossen, die höchste Unwetterwarnung für den Nordwesten Deutschlands herauszugeben. Dabei bestand neben heftigem Starkregen und Hagel die Hauptgefahr vor allem durch Orkanböen, also Windspitzen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 118 km/h. 

Unwetter ab den Vormittagsstunden
Ein paar Stunden später zeigte das Radar eine weitere Verstärkung innerhalb dieser linienhaft angeordneten Gewitter, und auch die Blitze nahmen an Häufigkeit zu.

Nachdem in Luxemburg bereits ein Baukran umgestürzt war und drei Menschen verletzte (hier Bilder und Video), erreichten uns über Twitter und Facebook ab den späten Vormittagsstunden die ersten Nachrichten aus Deutschland: In Moers am Niederrhein ist das Dach eines Baumarktes auf die Straße geweht worden (Bericht), dramatische Bilder erreichten uns aus Neuss. Auch die folgenden Videos sind recht aufschlussreich:

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Die Wetterstation Geilenkirchen meldete um 12 Uhr eine Orkanböe mit 122 km/h (Abb. 5), während die Unwetter weiter auf ihrem Weg nach Nordwesten zogen. Ein Arbeiter in Kempen (Niederrhein) stürzte vor einem Baugerüst mit lebensgefährlichen Verletzungen. In Köln kam eine Frau ums Leben, die in einer Unterführung Schutz gesucht hat und von einem Fahrzeug erfasst wurde. Später stürzte eine neu errichtete Mauer in Herne vermutlich ebenfalls durch eine Orkanböe wieder ein und begrub einen Bauarbeiter unter sich.

Blitzeinschläge und umgestürzte Bäume fielen auf Stromleitungen und brachten den Zugverkehr in weiten Teilen NRWs zeitweise zum völligen Erliegen. Auf den Düsseldorfer und Kölner Hauptbahnhöfen fuhren eine Weile lang gar keine Züge mehr. 

Das Gewittersystem zog dann weiter nach Niedersachsen mit Schwerpunkt von der Grafschaft Bentheim bis in das Emsland und dann weiter in Richtung Deutsche Bucht. Die größten Schäden gab es auch hier aufgrund heftiger Böen. In Nordhorn wurde eine Frau von einer umstürzenden Pappel erschlagen, im Hafen von Leer wurde ein Schiffsneubau aus der Verankerung gerissen, der in die Werftanlage krachte. Teile einer Brückenbaustelle lösten sich und bohrten sich auf der Autobahn 30 in ein Fahrzeug, dessen Insassen aber nur leicht verletzt wurden. Hier ein Video aus der Grafschaft Bentheim:

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Tornado auf Helgoland?
In erster Linie las und hörte man gestern von Helgoland. Laut Berichten vieler Medien soll ein Tornado über einen Zeltplatz gezogen sein und diesen völlig zerstört haben. Doch sollte man beim Benutzen des Begriffs "Tornado" oder "Windhose" (, die beide das selbe Phänomen bezeichnen) vorsichtig sein.

Mit was haben wir es hier zu tun? Auf dem Radar sehen wir ein so genanntes Bow Echo, (Abb. 3) also ein bogenförmiges Echo. Es entsteht vor allem in hochsommerlichen Lagen bei großen Unterschieden von Temperatur und auch Luftfeuchtigkeit. Die Bogenform wird dabei erzeugt von einem kräftigen Wind in mittleren Höhen, den so genannten rear inflow jet. Die Temperatur- und Luftdruckunterschiede vor und hinter dieser Gewitterlinie können diesen Wind zusätzlich verstärken. Er ist auf der Windkarte für rund 3 km Höhe in Abb. 8 zu sehen.

An der Gewitterlinie bildet sich eine Böenfront aus, wobei die kältere Luft aus der Höhe gen Boden stürzt. Diese starken Böenfront hat übrigens auch dazu geführt, dass vielerorts vor den Gewittern eine regelrechte Staubwolke vor sich hergetrieben wurde. Teils beeindruckend ist das Wolkenbild vor so einer Gewitterlinie namens squall line, ein solches Bild ging auch im Fall von Helgoland durch die Medien. Am Böenkragen erkennt man auch die aus dem Gewitter herabstürzende Luft, und Wolkenfetzen in diesem Bereich werden häufig als Tornado fehlinterpretiert. Sie drehen sich aber nicht selbstständig.

Was ist eine Squall Line?

Geht es darum zu entscheiden, ob man es mit einem Tornado zu tun hat oder nicht, so ist man meist auf Augenzeugenberichte, vor allem aber auf die Analyse der verursachten Schäden angewiesen. Tornadoschäden zeigen durch ihre Rotation meist aus ihrem Stamm ausgedrehte Bäume, die auch in verschiedene Richtungen umfallen.

Bei einem geradlinigen Downburst dagegen, also einer Fallböe, knicken die Bäume auf breiter Fläche in die gleiche Richtung. Ähnlich verhält es sich auch mit Schäden an anderen Gegenständen. Ein Downburst kann ähnlich große Zerstörung wie ein Tornado verursachen, nur auf einer wesentlich größeren Fläche. 

Was ist ein Downburst?

Nach dem Wolkenbild aus Helgoland, dem Radarbild und gesichteten Fotos von den Schäden wie auch der folgenden Videos aus Norderney und Helgoland kann man derzeit nicht entscheiden, ob die Schäden von einem Tornado oder einem Downburst verursacht wurden. Auch einige andere Tornadomeldungen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind teilweise auf Downbursts zurückzuführen.

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Bilderlizenzen:

Abb. 1 unterliegt der CC-by Lizenz
Abb. 2 unterliegt der
CC-by-nd Lizenz