Umfrage-Ergebnis

'Jacke oder nicht, verdammt noch mal!' - Wie viel Information braucht die Wettervorhersage? (Extremwetterkongress)

Der Extremwetterkongress 2010 ist nun (mit einem neuen Besucherrekord) zu Ende gegangen. In diesem Rahmen wurde auch das Ergebnis der Umfrage auf Wetter24 vorgestellt, die Teil des Vortrags "Jacke oder nicht, verdammt noch mal" ist. Dieser Vortrag soll nun in Kürze zusammengefasst werden.

Idee des Titels
Der Ausdruck "Jacke oder nicht, verdammt noch mal!" stammt dabei von einem Auftritt des Comedian Wolfgang Trepper. Dieser wurde in folgender Zusammenfassung vorgestellt:

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Warum ist dieser Auftritt komisch? Ein Werkzeug des Witzes ist es ja, bekannte Alltagssituationen zu übersteigern. In der Tat kann man hier viele Punkte erkennen, die das Verständnis der Wettervorhersage aus den Medien, hier insbesondere im Fernsehen, erschweren. Was wird also von Wolfgang Trepper kritisiert?

Kritik an der Wettervorhersage
Der Empfänger (Zuschauer, Leser, Hörer, Internet-Surfer) bekommt also zu viel Information geliefert. Teilweise ist diese Information auch noch vollkommen überflüssig, zum Beispiel das Wetter der Vergangenheit. Darüber hinaus scheint die grafische Darstellung von Wetterinformationen nicht nachvollziehbar und überladen, man kann sich (Treppers Beispiel: Tagesthemen-Strömungsfilm) nichts darunter vorstellen. Schlussendlich ist es aber das Wesentliche, das entweder gar nicht genannt wird oder in der Informationsflut nicht zu finden ist: "Jacke oder nicht, verdammt noch mal!"

Woran liegt das?
Um die Gründe hierfür zu verstehen, muss man sich das Kommunikationsschema Sender - Empfänger (also Meteorologe - Zuschauer / Leser / Zuhörer etc.) genauer ansehen. Hier gibt es wie so oft unterschiedliche Motivationen auf beiden Seiten, die vereinbar gemacht werden müssen.

Der Meteorologe möchte möglichst exakt und umfassend informieren. Inge Niedeck sprach etwa in dem Buch "Wetterinformation für die Öffentlichkeit" von Andreas Wehry davon, dass dem Meteorologen manchmal fünf Minuten nicht genug seien, während dem Zuschauer die Information über Jacke oder Schirm völlig ausreichen würde.

Natürlich ist in dem Zusammenhang dem Meteorologen auch daran gelegen, auch die zugrunde liegenden Prozesse zu erklären, er begreift die Wettervorhersage wissenschaftlich und als Lehr-Auftrag, während der Empfänger immer mehr von einer Service-Leistung ausgeht. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass der Meteorologe von der Tatsache weiß, dass es keine 100-prozentige Wettervorhersage geben kann. Auch, wenn sie immer weiter verbessert wird, ist es insbesondere bei Schauern nicht immer möglich, für einen bestimmten Ort sagen zu können, ob Regen auftreten kann oder nicht (Probabilistik). Der Zuschauer möchte aber wissen können, ob es regnet oder nicht regnet (Deterministik).

Umfrage-Ergebnis: Was ist wichtig?
Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der Mensch nur sieben Informationen in seinem Kurzzeitgedächtnis speichern kann, gehen wir also an die Frage, wie die Wettervorhersage zu gestalten sei. Dabei benutzen wir das Ergebnis der Umfrage (Abb. 3) von Anfang Februar 2010. Wir sehen, dass als wichtigstes die Information wichtig sind, die die Kleidungsfrage entscheiden: Niederschlag, Temperaturen. Dann erst folgen die Wahrscheinlichkeiten und der Wind.

Etwas überraschend war, dass die Sonne offenbar keine so wichtige Rolle spielt. Sie liegt mit der Luftfeuchtigkeit ganz unten in der Tabelle. Hier sollte man allerdings berücksichtigen, dass die Umfrage im Winter gemacht wurde. Wäre sie im Sommer, würde vermutlich die Sonnenscheindauer nach oben und die Frage nach der Niederschlags-Art (Regen, Schnee, Hagel) nach unten wandern. Dies wäre zu untersuchen.

Mit diesen Ergebnissen könnte man also nun je nach zur Verfügung stehender Länge der Wettervorhersage seine Information filtern (Abb. 4), womit man eine Prognose hätte, die die Frage nach "Jacke oder nicht, verdammt noch mal!" bestmöglich klären könnte.

Was sollen Fotos und Videos im Wetter?
Nun gibt es aber nicht nur Sender und Empfänger, sondern auch noch das Medium dazwischen, also Fernsehen, Radio, Zeitungen. Sie haben ein weiteres, kommerzielles Interesse an der Wettervorhersage. Denn es geht auch darum, mittels Werbung Einnahmen zu sichern.

Detlev Bringmann, Werbepsychologe, spricht dabei in dem Buch "Wetterinformation für alle" von High-Involvment-Information und Low-Involvment-Information. Dabei ist die High-Involvment-Information eine solche, bei der der Empfänger bereits Interesse für die Nachricht hat. Der Banker interessiert sich von selbst für die Devisenkurse, und viele Menschen interessieren sich für das Wetter. Bei der Low-Involvment-Information ist der Empfänger dagegen nicht sonderlich interessiert. Dies ist zum Beispiel die Werbung. Hier muss man sich also Gedanken darum machen, wie man das Interesse wecken kann.

Es liegt also nahe, die High-Involvment-Information Wettervorhersage als Zugpferd für die Low-Involvment-Information Werbung zu gebrauchen. Dies ist der Grund, warum nach den Hauptnachrichten und vor dem Wetter ein Werbeblock oder Sponsor folgt. Aber damit nicht genug: Den Medien ist zudem daran gelegen, auch die weniger am Wetter Interessierten "bei der Stange" zu halten. Darum wird das Wetter bunter - Fotos von auf der Wiese spielenden Kindern oder im Nebel verunfallte Autos, Videos, Zuschauerfotos. Dem Meteorologen sind diese Elemente natürlich weniger nützlich, da sie die Wettervorhersage verwässern und die 7-Elemente-Regel verletzen, womit wir wieder bei der Kritik von Wolfgang Trepper wären.

Ist dieses Problem lösbar?
Bedingt kann die Wettervorhersage sicherlich noch verbessert werden. Die Richtung dabei ist jedenfalls klar: Zukünftig sollte mehr auf die gesellschaftliche Seite des Wetters geachtet werden, so wie es das Societal Impacts Program an der Boulder University in Colorado, USA bereits in mehreren Veröffentlichungen tat. Der Meteorologe an sich sollte also mehr auf die Bedürfnisse des Empfängers hören und auch darauf eingehen.

Auf der anderen Seite sollte dem Empfänger auch das Wissen um die Grenzen der Wettervorhersage - dies gilt insbesondere bei längerfristigen Vorhersagen - vermittelt werden. Zwar kann man mittlerweile für Monate in der Zukunft immer bessere Vorhersagen machen, doch sind die hier zu gewinnenden nicht mit einer Wettervorhersage im herkömmlichen Sinne zu vergleichen. 

Eine häufigere und intensivere Kommunikation dürfte hier also schon einige Probleme beseitigen.