Jetzt Hochwasser?
Schaut man sich die Schneemengen an, die im Westen Deutschlands noch insbesondere in Gebirgslagen, nach Nordosten hin auch noch reichlich im Flachland vorhanden sind, so blickt man angesichts der Plusgrade teils in sorgenvolle Gesichter wegen der Schneeschmelze. Wie steht es also um die Hochwassergefahr?
Schneelage
Immerhin liegen derzeit in den westlichen Mittelgebirgen je nach Lage noch zwischen 10 und 100 cm Schnee, nach Osten hin in Richtung Bayerischer Wald bis 134 cm (Großer Arber), in den Alpen zwischen 80 und 200, teils sogar über 350 cm (Säntis und Sonnblick, Abb. 2).
Eine Lage wie im Januar 1995 wäre bei dieser Lage eine landesweite Katastrophe. Damals hatte es nach einem recht schneereichen Winter teils kräftig geregnet, gebietsweise fiel binnen drei Tagen die sonst im Monat übliche Niederschlagsmenge, unter anderem gab es im Fuldatal das schlimmste Hochwasser seit Aufzeichnungsbeginn.
Wichtig: Luftfeuchtigkeit
Möchte man wissen, wie schnell der Schnee verschwindet und in welcher Form, sollte man nicht nur die Lufttemperatur alleine betrachten. Schnee verringert sich durch Hinzufügen von Energie, sei es durch kurzwellige Sonneneinstrahlung oder langwellige Wärmestrahlung oder von Regen, der in den Schnee fällt.
Insbesondere kommt es bei Temperaturen in der Nähe von 0°C auf die Luftfeuchtigkeit an. Auch wenn man gemeinhin von Schneeschmelze spricht, so ist die Frage zu stellen, ob der Schnee sublimiert, schmilzt oder taut.
Um dies weiter erklären zu können, sollte man den Begriff des Taupunktes erklären. Der Taupunkt ist ein physikalisches Feuchtemaß. Er gibt die Temperatur an, bis zu der die Luft abgekühlt werden müsste, dass sie gesättigt ist, also eine relative Luftfeuchtigkeit von 100% besitzt. Der Taupunkt kann also höchstens genau so hoch sein wie die Temperatur, meist ist er geringer.
Ist die Differenz zwischen Temperatur und Taupunkt groß, so ist die Luft dementsprechend trocken. Noch interessanter wird es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt:
Wie schnell verschwindet der Schnee?
Sublimation
Am wenigsten Schnee verschwindet bei der Sublimation. Bei diesem Prozess wechselt der Schnee sofort vom festen in den gasförmigen Zustand und bleibt dabei völlig trocken. Für diesen Übergang muss sehr viel Energie aufgewendet werden, wodurch die Schneedecke sich nur langsam verkleinert.
Zum Beispiel ist dies im Januar im Osten Deutschlands geschehen, als über mehrere Tage sehr trockene Festlandsluft aus Sibirien heranwehte. Man konnte auf einigen Straßen erkennen, wie die "Eis-Inseln" täglich etwas kleiner wurden. Bekannt ist dies auch aus dem Ski-Urlaub bei Hochdruckwetterlagen: Auf der Bergstation kann man es sich bei bis zu 7°C in der Sonne auf dem Liegestuhl bequem machen, der Schnee bleibt dennoch, da die Luft sehr trocken ist (der Taupunkt ist also bei negativen Werten und weit von der Temperatur entfernt).
Schmelzen
Bei der Schneeschmelze wird die Schneedecke schon etwas schneller abgebaut. Dabei liegt der Taupunkt knapp im negativen Bereich und die Lufttemperatur ausreichend darüber, und teilweise verflüssigt sich der Schnee, teilweise geht er in den gasförmigen Zustand über. Für diesen Prozess muss schon etwas weniger Energie aufgewendet werden.
Tauen
Ganz schnell geht es beim Tauen des Schnees. Hier sind sowohl die Lufttemperatur als auch der Taupunkt im positiven Bereich, günstigerweise nicht weit voneinander entfernt. Dabei wird der gesamte Schnee also ausschließlich zu Wasser. Noch schneller geht es, wenn es dabei kräftig regnet, dadurch kann die Wärmeenergie der Wassertröpfchen optimal an den Schnee abgegeben werden.
Vorhersage
Zusammengefasst verschwindet der Schnee also kaum bei trocken-kaltem und sehr schnell bei feucht-regnerisch-mildem Wetter. Momentan finden wir für den Abbau der Schneedecke dabei sehr entspannte Bedingungen vor:
Betrachten wir das Temperaturniveau in den folgenden Tagen, so hält sich die Milderung doch sehr in Grenzen. In der polaren Meeresluft steigen die Temperaturen besonders nach Südwesten hin tagsüber deutlich in den Plusbereich. Aber in den Nächten wird es doch noch häufig frostig sein, und dies gilt insbesondere für die schneereichsten Gegenden im Flachland des Nordostens sowie in den mittleren und höheren Lagen.
Besonders hier ist die weitere Wetterentwicklung natürlich interessant, um die Pegel von den entwässernden Flüssen wie Rhein, Mosel und Elbe abschätzen zu können. Zu diesem Zweck sind in den Abb. 3 bis 5 die Ensembleprognosen von Feldberg (Schwarzwald), Fichtelberg (Erzgebirge) und Feuerkogel (Alpen, bei Ebensee im Höllengebirge, Oberösterreich) zu sehen. Sie zeigen nicht nur eine Vorhersage des Wettermodells, sondern in Grau auch ein "Vertrauensintervall", dessen Breite die Unsicherheit der Prognose widerspiegelt.
Interessant sind hier die ersten beiden Teile der Abbildung, die den Verlauf der Temperatur und die Niederschlagsprognose zeigen. Kräftige Niederschlagsereignisse sind demnach nur an diesem Samstag und für den Monatswechsel zu erwarten, sonst liegt die Wahrscheinlichkeit für 6-stündige Niederschläge über 1,5 mm durchweg unter 40%.
Für diesen Samstag ist dabei insbesondere zu erwähnen, dass die Niederschläge bei entsprechend niedrigen Temperaturen als Schnee auftauchen werden und damit nicht zu einer Hochwasserproblematik beitragen. Prinzipiell ist die aktuelle Wetterlage - leicht unbeständig in gemäßigt kühler Meeresluft - optimal für einen allmählichen Abbauprozess. Denn die Entwässerung findet meist nur tagsüber statt, und die immer wieder leichten Niederschläge sorgen für ein annehmbares Tempo, das die Flüsse meist bewältigen sollten.
Fazit: Kein extremes Hochwasser
Daher ist die Wahrscheinlichkeit für ein extremes Hochwasser äußerst gering. Völlige Entwarnung kann man zwar nicht geben, da immerhin ein jahreszeitlich bedingtes Hochwasser auftreten dürfte, es gibt aber keinen Grund zu größerer Beunruhigung, denn viel besser könnte die Wetterlage wie derzeit kaum sein.
Dies sieht man auch am Beispiel unserer Abfluss-Prognose, die wir auf unserem Energieportal MeteoPower für die Nutzung der Wasserkraftenergie bereitstellen (Abb. 6 und 7). Selbst das "nasse Szenario" sorgt in der nächsten Zeit für eine Energieausbeute, die bestenfalls knapp über den Durchschnittswerten liegt, in der Alpenregion sogar noch darunter.
Hinweis: Für Abb. 1 sind bestimmte Rechte vorbehalten.