Überall Kälte - warum?

USA, Europa und Asien erleben einen ungewöhnlich harten Winter 09/10. Ist die inaktive Sonne dafür verantwortlich?

Aus allen Teilen der Nordhalbkugel hört man von neuen Winterrekorden und ungewöhnlicher Kälte. Betroffen sind vor allem die USA, Teile Asiens, insbesondere China und wie wir wissen auch Europa. Doch wie ist dieser ungewöhnliche Winter entstanden?

Die Kälte ist dabei ungewöhnlich weit nach Süden vorangekommen. Wie die APA berichtet, war am vergangenen Sonntag (09.01.10) der Vesuv bei Neapel fast vollkommen schneebedeckt. Auch in Indien gab es Probleme wegen der Kälte: Medienberichten zufolge starben deswegen bereits 239 Menschen im Norden und Osten des Landes. Auch in Mexiko forderte die Kälte bis zu diesem Wochenende neun Menschenleben. Und selbst im "Sunshine State" Florida fielen am Samstag, 08.01.10, Schneeflocken. Auch sonst gab es in den USA Probleme. Im südlichen Bundesstaat Tennessee starben Menschen in ihren nicht geheizten Wohnungen.

Spätestens seit Tief Daisy wissen auch wir in Deutschland, dass wir es mit einem ungewöhnlichen Winter zu tun haben. Seit dem 10.01.10 ist die Schneedecke so hoch wie seit dem legendären Schneewinter 1978/1979 nicht mehr (die Station Dahlem meldete am 11.01.10 eine Schneehöhe von 25 cm). Das ist angesichts der schneereichen 80er Jahre ein beachtliches Ereignis.

Woher kommt der kräftige Winter?
In erster Linie sind es natürlich die ungewöhnlich weit südwärts reichenden Kaltluftvorstöße aus polaren Regionen, die für dieses Wetter verantwortlich sind. In Abb. 2 sehen wir dazu die Temperatur auf der 850 hPa - Druckfläche, die sich im Mittel in 1,5 km Höhe befindet.

Verfolgt man den grün-blauen Bereich, so erkennt man, dass momentan besonders bei uns der Kaltluftvorstoß am stärksten auf der Nordhalbkugel ausgeprägt ist, er reicht bis in das nördliche Afrika, und auch der Vorstoß bis in das nördliche Indien ist zu sehen, über Nordamerika reicht er teils bis zum mexikanischen Bundesstaat Baja California, während im mittleren Süden der USA momentan Milderung herrscht. Aber warum ist das so?

In der idealisierten Vorstellung befinden wir uns auf Grund der Erdrotation in unseren Breiten in der Westwindzone zwischen Polarluft nach Norden hin und subtropischer Luft nach Süden. Nun ist die Strömung aber nie "glatt" von West nach Ost, sondern sie neigt zur Wellenbewegung; man sagt auch, dass sie mäandriert.

Dadurch kommt es zu Wellenbergen, in denen die subtropische Luft nach Norden vorstößt und Wellentälern, in denen die Polarluft südwärts vorankommt. An diesen so genannten Rücken und Trögen bilden sich Wirbel, unsere Hoch- und Tiefdruckgebiete. An der Grenze dieser verschiedenen Luftmassen weht dabei ein kräftiger Höhenwind, genannt Jetstream.

Was ist der Antrieb?
Um also herauszufinden, was für die kräftigsten Kaltluftvorstöße sorgt, müssen wir uns also den Motor für diesen Polarjet finden, der an der Grenze zwischen subtropischer und polarer Luft weht. Dafür müssen wir noch etwas weiter nach oben blicken, in die so genannte Stratosphäre. Sie liegt bei uns im Winter etwas oberhalb von 10 km Höhe über der Troposphäre, in der sich der Hauptteil unseres Wetters abspielt. Sie ist weniger mit Wasserdampf als mehr mit Ozon angereichert. Dieses Ozon hat die Aufgabe, die schädliche UV-Strahlung der Sonne zu filtern, was zu einer höheren Temperatur an der Grenzfläche zwischen  Troposphäre und Stratosphäre führt.

Hier bildet sich im Winter ein Tiefdruckwirbel, der angefüllt ist mit kalter Luft, der so genannte Polarwirbel. Am Rande dieses Polarwirbels weht dann im Winter auf der Nordhalbkugel ein gegen den Uhrzeigersinn gerichteter beständiger Westwind, der Stratosphärenjet. Dies hat seine Ursache darin, dass hier der Temperatur- (und damit der Druck)unterschied innerhalb der Stratosphäre besonders hoch ist. Dieser wiederum ist der Antrieb für den sich darunter befindlichen Polarjet.

In Abb. 3 sehen wir als Farbflächen die höchsten Windgeschwindigkeiten am Rande des Polarwirbels und als Windfieder den Polarjet in etwa 9 km Höhe.

Sonne bisher inaktiv
Gehen wir noch einen Schritt weiter zurück, sind wir bei der Sonne angekommen, denn sie strahlt nicht immer gleich kräftig. In den letzten Jahren war die Sonne sogar so inaktiv wie seit über 100 Jahren nicht mehr, ihre Aktivität erkennt man dabei an der Anzahl der Sonnenflecken. Sind viele zu sehen, so ist auch die auf der Erde empfangene Sonnenstrahlung höher. Wir hatten aber nun eine ungewöhnlich lange Phase, in der überhaupt keine Sonnenflecken auftraten.

Wie wir an Abb. 4 sehen, gibt es eine Periodizität bei der Aktivität der Sonne, die man in Zyklen einteilt, wir befinden uns jetzt am Beginn von Nummer 24. Es wird auch vermutet, dass die inaktive Sonne für die derzeit nicht steigende Globaltemperatur der Erde verantwortlich ist.

Für uns ist aber momentan nur wichtig, dass die Sonne für eine lange Zeit weniger Strahlung zur Erde schickte. Und wenn die Strahlung in dieser Phase abnimmt, dann besonders im UV-Bereich. Ist die Gesamtstrahlung von der Sonne nur um 1% geringer, so empfangen wir 10% weniger UV-Strahlung. Dieser "Mangel" sorgt aber dafür, dass sich die Stratosphäre nicht so stark aufheizt. Gleichzeitig wird bei schwächerer Sonne auch weniger Ozon von den Tropen polwärts transportiert (Brewer-Dobson-Zirkulation, Abb. 5).

Die Folge hiervon ist ein nicht so starker Temperaturunterschied, da sich mit weniger UV und weniger Ozon die polare Stratosphäre nicht mehr so stark aufheizt. Dies wiederum sorgt für einen schwächeren Polarwirbel mit dem dazugehörigen Stratosphärenjet.

Damit schwächt sich auch der Antrieb für den Polarjet ab. Wenn das passiert, dann mäandriert dieser häufiger, was - wie eingangs beschrieben - die Neigung zu Kaltluftvorstößen vergrößert. Man erkennt einen schwächeren Polarwirbel auch daran, dass er nicht idealerweise kreisrund und kompakt ist, sondern "zerfällt" (vgl. Abb. 2), teilweise kommt es sogar zu einem "Polar Split", einem Auseinanderbrechen des Polarwirbels in zwei Teile.

Fazit
Es ist also gut möglich, dass die inaktive Sonne einen entscheidenden Anteil an dem ungewöhnlich ausgeprägten Nordhalbkugel-Winter hat. Und dieser Winter geht noch weiter, denn etwas haben wir bisher noch nicht angesprochen: Durch die ausgedehnten Schneefälle über weite Flächen sind nun auch große Teile der nördlichen Hemisphäre schneebedeckt. Abb. 6 zeigt eine beachtliche Ausdehnung weißer Flächen.

Weiß reflektiert aber einen großen Anteil an einfallender Sonnenstrahlung, was in Folge dazu führt, dass ein deutlich geringerer Anteil am Erdboden in Wärmestrahlung verwandelt wird (man sagt auch: die Albedo nimmt zu), wodurch sich die Luft noch weiter abkühlt und weitere Schneefälle begünstigt werden.

Dieser Zusammenhang sorgt also für eine Rückkopplung, die sich selbst verstärkt. Man spricht dabei auch von einer Eis-Albedo-Rückkopplung. Es ist gut möglich, dass auf diese Weise die Kleine Eiszeit entstanden ist, die ebenfalls zu einem Minimum der Sonnenaktivität auftrat. Für uns heißt das zunächst: Der Winter wird uns wohl noch lange in seiner eher herben Form erhalten bleiben.

 

Hinweis: Abb. 1 unterliegt der CC-Lizenz