Indien verliert Grundwasser
Im Norden Indiens verschwindet das Grundwasser. Dies ist besonders dramatisch, da hier die bewässerten Reis-, Gerste- und Weizenfelder die Millionenstädte Neu Delhi und Jaipur versorgen sollen. Wissenschaftler weltweit suchten nach den Ursachen, und die NASA wurde fündig. Mithilfe ihres GRACE-Satellitenprogramms.
Die Ursache liegt auf der Hand, ist jetzt aber auch durch Satellitenmessungen bestätigt. Das viele Wasser, das zur Bewässerung des Ackerlandes benötigt wird, kann durch natürliche Prozesse nicht ausreichend nachgeliefert werden. Dies veröffentlichen die Wissenschaftler rund um NASA-Hydrologe Matt Rodell in der Ausgabe der Wissenschaftszeitung Nature am 20. August 2009. Gleichzeitig präsentieren sie hier ihr Gravity Recovery And Climate Experiment (GRACE)-Satellitenprogramm.
Rodell betont, dass nun dringend Maßnahmen für den Grundwasserschutz notwendig seien. Ansonsten drohe ein Zusammenbruch der Landwirtschaft, die für die 114 Millionen Einwohner der Region im Nordwesten Indiens katastrophale Folgen hätte.
Grundwasser entsteht durch die natürliche Versickerung von Niederschlag und anderem Oberflächengewässer durch die Bodenschichten in der Erde, bis sie sich am so genannten Grundwasserhorizont ansammeln, da es hier durch das feste Gestein nicht weiter versickert (Abb. 2). Ein Teil dieses Grundwassers kann Millionen Jahre alt sein, in anderen Regionen gibt es natürliche Schwankungen von Jahr zu Jahr.
Die Änderung des Grundwasserspiegels aufgrund der Witterung ist viel langsamer als bei Seen oder Flüssen. Daher kann es auch Monate oder sogar Jahre dauern, bis entnommenes Grundwasser - etwa für die Bewässerung - wieder nachgeführt werden kann.
GRACE-Satelliten messen Erdanziehung
Die Änderung des Grundwasserspiegels beeinflusst auch die Erdanziehungskraft. So kann man durch Messungen der Gravitationsänderungen direkt Rückschlüsse auf die Wasserbewegungen unterhalb der Erde machen. Diese Änderungen messen die zwei GRACE-Satelliten aus dem All.
Laut Rodell ist es möglich, selbst kleine Veränderungen im Gravitationsfeld zu messen und Rückschlüsse auf Variationen in den Wasserzu- und -abflüssen zu erhalten. Dabei fliegen die zwei Satelliten in einer Höhe von knapp 500 Kilometern um die Erde, etwa 220 km voneinander entfernt. Durch Änderungen der Erdanziehungskraft verändert sich ihre Position relativ zueinander. Diese winzigen Änderungen werden durch eine Entfernungsmessung mithilfe von Mikrowellen registriert.
Nachdem die Messungen mithilfe von GRACE-Satelliten in den USA erfolgreich getestet wurden, ist die Suche nach dem verschwundenen Grundwasser in Indien der erste "wahre" Einsatz. Der große Vorteil ist nun, dass man weltweit Änderungen im Grundwasser unter der Erdoberfläche registrieren kann, ohne dafür aufwändige, ungenaue und kostenspielige Vor-Ort-Aktionen durchführen muss.
Bleichlochtalsperre verschwand 500 Mio. Mal
Die indischen Bundesstaaten Rajasthan, Punjab und Haryana stehen dabei im Fokus. Sie alle leiden unter rapidem Bevölkerungswachstum und bewässerungsintensiven Anbaugebieten, die 95% des Grundwasserverbrauchs verschlingen. Das indische Ministerium für Wasserresourcen hat diese Bundesstaaten bereits verdächtigt (Abb. 3), deutlich mehr Grundwasser zu verbrauchen als nachgeliefert werden kann, allein die Satellitenmessungen können jetzt die regionale Verteilung zeigen.
Mit diesen fand man jetzt heraus, dass der Grundwasserspiegel alle drei Jahre um einen Meter sinkt. 109 Millionen Kubikkilometer Wasser verschwanden im Mess-Zeitraum zwischen 2002 und 2008 (Abb. 4), das ist etwa das 500-Millionen-fache von Deutschlands größter Talsperre, der Bleilochtalsperre!
Die Ergebnisse sind umso alarmierender, als dass in diesem Zeitraum eine natürliche Ursache ausgeschlossen werden konnte. Die Niederschläge waren sogar etwas über den langjährigen Mittelwerten.
Obwohl diese Satellitenmethode nicht in der Lage ist, absolute Grundwassermengen, sondern nur ihre Veränderungen zu messen, ist es jedoch nun möglich, weltweit Entwicklungs- oder Schwellenländer auf kritische Wassersituationen hin zu untersuchen, um eventuell Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, bevor es zu spät ist.