Erde komplett vereist?

Warum die gesamte Erde ein Schneeball gewesen sein könnte, und wie sie sich aus ihrem Eispanzer befreit hat

Unter Geologen und Klimatologen ist die so genannte "Snowball Theorie" immer wieder ein spannendes und auch umstrittenes Gebiet. Demnach war die Erde vor rund 700 Mio. Jahren komplett mit einem Eispanzer bedeckt. Die globale Durchschnittstemperatur lag bei -50°C, am Äquator wurden mit Temperaturen um -20°C Werte der heutigen Antarktis erreicht.

Worauf begründet sich die Snowball Theorie?
Viele Indizien sprechen für diese Annahme. Insbesondere sind dies Funde von sehr altem Gletscherschutt, die überall auf der Welt gemacht wurden. Speziell auch in den Gebieten, die zur damaligen Zeit noch in Äquatornähe lagen (Abb. 1 und 2). Direkt über diesem Gletscherschutt befindet sich eine kalkhaltige Grenzschicht, die laut James L. Etienne, Forscher am Geologischen Institut der ETH Zürich, nur durch warmes tropisches Meerwasser dort hingelangen konnte. Dies lässt den Schluss zu, dass einer extremen Abkühlung eine rasche Erwärmung folgte, die zu einer markanten Überflutung geführt habe.

Außerdem wurden in den Funden, die älter waren als 545 Millionen Jahre, kaum Überreste von mehrzelligen Lebewesen entdeckt. In jüngeren Kalkablagerungen finden sich dagegen eine Vielzahl.

Viele Modellberechnungen wurden durchgeführt, unter anderem eine von David Pollard, die dieser auf einem Treffen der American Geophysical Union in Boston vorstellte. Auch sie erhärten die Theorie einer völlig eisbedeckten Erde, eines "Snowballs". Derartige Perioden sind im Verlauf der Erdgeschichte sogar mehrfach aufgetreten (Abb. 3).

Wie ist die Vereisung entstanden?
Grundsätzlich ist diese starke Abkühlung der Erde darauf zurückzuführen, dass die Konzentration der entscheidenden Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre stark zurückging. Durch den Rückgang des Treibhauseffektes kam es damit zur Abkühlung, und die Vereisung an den Polen nahm zu. Damit entstanden dann größere Eisflächen.

Eisflächen reflektieren wesentlich mehr Sonnenlicht ungenutzt zurück in die Atmosphäre als Land oder Wasser. Dadurch, dass also weniger Energie von der Sonne zur Verfügung stand, verstärkte sich die Abkühlung weiter. Ab einer Eisausdehnung bis etwa zum 30. Breitengrad (entspricht zum Beispiel der heutigen nordafrikanischen Küste) geht dieser Prozess recht langsam voran. Danach ist die Reflektion (= Albedo) so stark, dass die Ozeane komplett vereisen. Die "Snowball Earth" ist erreicht.

Wohin verschwand das Kohlendioxid?
In geologischen Größenordnungen gedacht befindet sich die Kohlendioxidkonzentration zwischen Wasser und Luft im Gleichgewicht. Vor allem durch Verdunstung und vulkanische Aktivitäten gelangt das Gas vom Meer in die Atmosphäre, Regen wiederum wäscht das Kohlendioxid aus ("saurer Regen"), wobei durch mehrere Prozesse eine "Silikatverwitterung" stattfindet (Abb. 4), die das Kohlendioxid durch Bildung von Kalkstein bindet. Wichtig dabei ist, dass diese Verwitterung bei feuchtwarmem Klima wesentlich schneller vonstatten geht als bei trocken-kaltem. Diese Abhängigkeit von Temperatur und Feuchtigkeit stabilisiert normalerweise das Klima durch die natürliche Regulierung des Kohlendioxidgehalts: ist es warm, wird das Treibhausgas schneller abgebaut, ist es kalt, verbleibt es länger in der Luft.

Vor rund 800 Millionen Jahren befanden sich nur wenig Landmassen in Äquatornähe, sodass die Atmosphäre feuchtwarm war und daher die Silikatverwitterung zu einer deutlichen Abnahme des Treibhausgases Kohlendioxid führte. Daher sank die globale Temperatur, die Geschwindigkeit der Verwitterung nahm dadurch ab, und so stabilisierte sich das Klima auf einem kühleren Niveau. 

Allerdings existierte zu Beginn dieser Zeit ein so genannter Superkontinent (bedeutet: beinahe alle Landflächen hingen zusammen) namens Rodinia, der dann auseinanderbrach. Die Silikatverwitterung, die zuvor auf den ausgedehnten, sehr trockenen Landflächen eher gering war, nahm hierbei schlagartig zu, da nun Wasser zwischen die Kontinentalplatten gelangen konnte und Feuchtigkeit hinzuführte. Hinzu kam ein massiver vulkanischer Basaltausbruch im heutigen arktischen Kanada. Basalt verwittert sehr schnell, wodurch noch mehr Kohlendioxid abgebaut wurde.

Wie hat sich die Erde danach wieder erwärmt?
Eine der größten Kritikpunkte an der Theorie war stets, dass sich eine völlig vereiste Erde durch die hohe Reflektion der Sonnenstrahlung niemals selbst hätte befreien können.

Allerdings liefert die Plattentektonik, also die Bewegung der Platten unserer Erdkruste auf dem flüssigen Erdmantel, eine Antwort. Denn diese geht ungeachtet der Temperaturen an der Erdoberfläche weiter. Schieben sich zwei Platten zusammen, so wird oft die eine in das Erdinnere gedrückt, wodurch der Kalkstein, in dem das Kohlendioxid gebunden ist, wieder frei wird. Im Laufe von Millionen von Jahren gelangt dieses dann über Vulkane (Abb. 6) wieder an die Erdoberfläche, um dann wieder den Verwitterungsprozess zu durchlaufen. Dieses nennt man den Kohlenstoffzyklus.

Da auf einer eisbedeckten Erde die Sedimentation, also die Ablagerung des Kohlendioxids so gut wie gar nicht mehr stattfindet (Abb. 5), kann sich das Gas in der Atmosphäre immer weiter anreichern. Irgendwann wird dann ein Punkt erreicht, an dem der Treibhauseffekt durch die stark kohlendioxidhaltige Atmosphäre den Wärmeverlust ausgleicht, der durch die Reflektion des Sonnenlichts auf den Eisflächen entsteht. Am Äquator beginnt das Eis zu schmilzen, Wasser kommt zum Vorschein, was wiederum dazu führt, dass mehr Sonnenstrahlung in Wärme umgewandelt werden kann: der Prozess kehrt sich um.

Diese Erwärmung vollzieht sich nach Modellberechnungen sehr schnell, innerhalb von etwa 2000 Jahren. So schnell kann die Verwitterung der Silikate nicht den Kohlendioxidgehalt anpassen, es kommt also zu einer massiven Erwärmung. Dabei steigt der Meeresspiegel schlagartig an und überflutet weite Landmassen und restliche Eisschollen. Erst im weiteren Verlauf stabilisiert sich das Klima auf einem wärmeren Niveau (Abb. 7)

Kritik
Obwohl die Zahl der Indizien stets zunimmt, ist die Snowball Earth Theorie nach wie vor nicht von allen Wissenschaftlern anerkannt. Die Wissenschaftler der ETH Zürich etwa verweisen auf Funde von Sandrippen aus dieser Zeit, die auf Wellen und offenes Wasser hindeuten würden. Sie gehen eher von einer beinahe komplett vereisten Erde aus.

Skeptisch beurteilt man auch noch die plötzliche Erwärmung nach der "Supereiszeit". Seit Anfang dieses Jahrtausends ist und bleibt jedoch die Snowball Earth Theorie ein in der Wissenschaft viel beachtetes Forschungsobjekt.

Quellen:

  • Snowball Earth Homepage Link
  • ETH Life: Schneeball Link
  • Spiegel Online Artikel Link

 

 

Bilderquellen:

Die Bilder stammen mit freundlicher Genehmigung von der Snowball Earth Homepage, Teaching Slides, Week 1 und 8.