Hurrikan in Europa?
In den derzeitigen Wetterberichten taucht vermehrt der Name HANNA auf. Oftmals wird HANNA dabei einfach als Tiefdruckgebiet über dem Nordmeer bezeichnet. Dies ist zwar nicht falsch, aber genau genommen auch nicht die ganze Wahrheit, denn eigentlich handelt es sich hierbei um den gleichnamigen (ehemaligen) Hurrikan, der als außertropisches Tief bis nach Europa gelangen konnte (siehe Abbildung 1). Doch betrachten wir die Lebensgeschichte von HANNA etwas detaillierter.
Der Ursprung von HANNA liegt weit von Europa entfernt im Bereich des zentralen und damit tropischen Atlantischen Ozeans. Dort entstand nordöstlich der Kleinen Antillen am 28. August der tropische Wirbelsturm HANNA. Etwas weiter nördlich im Bereich der Subtropen befinden sich im Normalfall ausgedehnte Hochdruckgebiete, man spricht hier auch oft vom subtropischen Hochdruckgürtel. Auf der Südseite dieses Subtropenhochs zog der tropische Wirbelsturm HANNA demnach weiter in Richtung West-Nordwest nach Haiti. Dabei intensivierte und verstärkte sich HANNA recht schnell und wurde bereits am 1. September zum vierten Hurrikan der Stufe 1 in diesem Jahr. Der Kerndruck betrug dabei unter 990, kurzzeitig sogar unter 980 hPa. Die Einstufung als Hurrikan der Stufe 1 ist aber unabhängig vom Luftdruck, sondern erfolgt nach Windgeschwindigkeiten. Stufe 1 beginnt dabei ab 119 km/h und entspricht damit exakt der Orkanstärke, also Windstärke 12.
Während starke Höhenwinde bei Tiefdruckgebiete mittlerer Breiten oftmals der entscheidende Antriebsfaktor sind, sorgen sie bei einem Hurrikan zumeist für eine Abschwächung. Genau dieses Phänomen konnte man bei HANNA bereits am Folgetag dann auch beobachten, als der Hurrikan in stärkere Höhenwinde geriet, sich Richtung Bahamas verlagerte und auch wieder abschwächte. Folglich wurde HANNA wieder auf einen Tropischen Wirbelsturm zurückgestuft. Allerdings hatte HANNA auf seinem Weg über die Karibik bereits reichlich Feuchtigkeit angesammelt, die sich in teils kräftigen Regenfällen wieder entlud. Durch Überschwemmungen und Erdrutsche kam es dabei auf Haiti auch zu einigen Todesfällen unter der Bevölkerung.
Der weitere Weg von HANNA war durch den Einfluss der Höhenwinde nun aber vorbestimmt. Quasi im Uhrzeigersinn um das Subtropenhoch herum, östlich an Florida, vorbei gelangte HANNA am 6. September an die amerikanische Küste des Bundesstaates South Carolina und sorgte auch dort für ergiebigen Regen. Am nächsten Tag beging HANNA kurzzeitig Landgang (Touchdown) und überquerte dabei mit Regen im Gepäck die Bundesstaaten North Carolina, Virginia, Maryland und Connecticut und wurde letztmalig als Tropischer Wirbelsturm eingestuft (siehe Abbildung 2).
In der Folgezeit wurde HANNA endgültig von der Westwinddrift der mittleren Breiten erfasst und dadurch rasch in Richtung Europa verlagert. Auf diesem Weg über den Atlantik verlor HANNA zudem langsam seine Hurrikan-typischen Strukturen. Es erfolgte also eine Umwandlung in ein außertropisches Tiefdruckgebiet. Typischerweise sind Hurrikane im Gegensatz zu außertropischen Tiefs auch noch in großen Höhen mit feuchtwarmer, also extrem energiereicher Luft gefüllt. Blickt man auf die aktuelle Analyse im 500 hPa-Niveau (Abbildung 3) , so erkennt man HANNA knapp südlich von Island anhand des tiefen Geopotentials von unter 540 Dekametern. Gleichzeitig ist die Hurrikan-Vergangenheit im Temperaturfeld zumindest noch zu erahnen. Zwar ist die Temperatur im Tiefzentrum mit unter –20°C kälter als in der Umgebung, aber das nur um wenige °C. Der Kurzwellentrog über der Biskaya (unter –25°C) und erst recht der Höhenwirbel über Osteuropa (unter –30°C) sind dagegen deutlich kälter. Zugleich schaffen es die beiden letzt genannten auch nicht sich bis zum Boden durchzusetzen, wie man auf der Bodendruckkarte in Abbildung 1 bereits sehen konnte, wo sich nur HANNA als Tief deutlich abzeichnet.
Die Frage, ob Hurrikane selbst Europa erreichen können wurde zuletzt viel diskutiert. Zumindest Tropische Wirbelstürme haben es in jüngster Vergangenheit schon bis in den Küstenbereich Spaniens geschafft. Die recht nördlich Lage von Europa, sowie die Position auf der Westseite der eurasischen Kontinentalmasse sind zwei Faktoren, die eindeutig gegen Hurrikane sprechen. Diese treten nämlich vorrangig in den Tropen und hier bevorzugt auf den Ostseiten der Kontinente auf. Taifune (Asien) oder Zyklons (Australien) sind im übrigen physikalisch identisch zum Hurrikan.
Dass ehemalige Hurrikane Europa als außertropisches Tief erreichen ist indes nichts ungewöhnliches und tritt vor allem im Herbst das eine oder andere Mal auf. Zumeist sorgen sie durch ihre mitgebrachte Feuchtigkeit für viel Regen. Stärkere Winde sind dagegen eher selten. Der Name wird im Gegensatz zu normalen Tiefs, die ansonsten an der FU-Berlin zu Gunsten des Erhalts der Wetterstation Berlin-Dahlem mit der Aktion Wetterpate zum Preis von 199 Euro getauft werden können, nicht neu vergeben.