Sturm im Hoch?

Am Freitag und auch am Samstag wird es trotz Hochdruckeinfluss teils recht windig zugehen. Warum?

Wie bereits in den News der vergangenen drei Tage (Montag, Dienstag, Mittwoch) erläutert, bildet sich derzeit das kräftige und weiträumige Hochdruckgebiet DIETER über Skandinavien (Abbildung 1 zeigt die aktuelle Bodendruckanalyse). Wie beschrieben, gelangt zunächst der Nordosten Deutschlands auf der Südflanke von DIETER in die zugehörige Nordostströmung. Somit gelangt recht kühle Luft nach Deutschland. Gleichzeitig frischt der Wind dabei vor allem im Küstenbereich teils stürmisch auf. Aber auch im übrigen norddeutschen Tiefland ist vor allem am Freitag (Abbildung 2) aber auch noch am Samstag mit recht böigem Wind zu rechnen.

Wie ist solch starker Wind möglich, wo doch der Küstenbereich am dichtesten zum Hochdruckzentrum liegt? Gibt es etwa neben den bekannten Tiefdruckstürmen auch Hochdruckstürme oder gar Hochdruckorkane? Ist hoher Luftdruck nicht immer auch gleichbedeutend mit ruhigem Wetter, so dass im Sommer Sonne und im Winter Hochnebel mit gelegentlichem Nieselregen oder Schneegriesel an der Tagesordnung sind?

Um all diese Fragen beantworten zu können, sind ein paar Vorbetrachtungen notwendig. Von grundlegendem Interesse ist zunächst das Thema Luftdruck. Dieser umschreibt anschaulich nichts anderes, als die Masse der vertikal nach oben gedachten Luftsäule über einem bestimmten Punkt, also quasi das Gewicht der Atmosphäre. Wir Menschen merken Luftdruckunterschiede am Boden eigentlich kaum, denn diese sind selbst bei den stärksten Tief- und Hochdruckgebieten vergleichsweise gering zur Luftdruckabnahme mit der Höhe. Bereits in ca. 5,5 km Höhe hat sich der Normaldruck am Boden (1013,5 hPa) halbiert, d.h. die Hälfte der Masse der Atmosphäre befindet sich in den untersten 5,5 km. Dies erklärt auch, warum das Atmen auf hohen Bergen in der rasch dünner werdenden Luft so schwer fällt. Da der Luftdruck selbst also nur eine Aussage über die Masse der Luft über einem hergibt, kann anhand dieses Wertes folglich noch keinerlei Aussage über das Wetter getroffen werden. Der Zusammenhang tiefer Luftdruck = schlechtes Wetter und hoher Luftdruck = gutes Wetter entbehrt demnach jeglichem direkten Zusammenhang. Korrekterweise müsste es heißen: Tiefer Luftdruck = wenig Luftmasse über Einem und hoher Luftdruck = große Masse an Luft über Einem.

Über Skandinavien hat sich aktuell demnach viel Luft angesammelt. Dies geschieht in der Atmosphäre durch gewisse Strömungskonstellationen, zu denen in erster Linie das Zusammenströmen der Luft in der Höhe (Konvergenz) zählt. Einfach ausgedrückt sammelt sich also Luft in der Höhe, so dass automatisch die Masse der Luftsäule und damit auch der Luftdruck ansteigt. Es ist also an diesem Punkt mehr Luft vorhanden als woanders, infolgedessen ein nächster physikalischer Prozess in Gang gesetzt wird. Die "zuviel" vorhandene Luft muss nun irgendwo entweichen und da nach oben durch die Tropopause eine obere Grenze existiert, muss die Luft absinken. In einem Hochdruckgebiet wird die Luft also großräumig zum Absinken gezwungen. Bei diesem Absinkprozess erwärmt sich die Luft um 1°C pro 100 Meter, was auch erklärt, warum Hochdruckgebiete oftmals mit Warmluft in Verbindung stehen. Im Winter reicht der Absinkprozess aber so gut wie nie bis zum Boden, so dass hier die warme Luft in der Höhe verbleibt und sich am Boden stattdessen in der kalten Luft oftmals zäher Hochnebel bildet.

Soweit entspricht alles noch den bereits bekannten bzw. erwarteten Wettererscheinungen in einem Hochdruckgebiet. Doch was passiert strömungstechnisch außer dem Absinken? Die Atmosphäre ist ständig bemüht vorhandene Luftdruckunterschiede auszugleichen. Dies lässt sich am besten damit verdeutlichen, wenn man sich Gebiete hohen Luftdrucks als einem Berg und Gebiete tiefen Luftdrucks als ein Tal vorstellt. Genau wie eine Kugel die vom Berg ins Tal hinabrollen würde, möchte nun auch die Luft nach Möglichkeit auf direktem Wege vom Hochdruckgebiet weg ins Tief hineinströmen, um damit die Druckunterschiede auszugleichen. Diese verursachende Kraft wird als Druckgradientkraft bezeichnet.

Bei einer sich nicht drehenden Erde würde dieser direkte Ausgleichsprozess in der Tat auch genau so von statten gehen, doch aufgrund der Erdrotation gibt es noch eine weitere Kraft, die der Druckgradientkraft genau entgegen wirkt. Sie wird nach ihrem Entdecker als Corioliskraft bezeichnet und ist umso stärker, je weiter man vom Äquator entfernt ist. Als Ergebnis ergibt sich auf der Nordhalbkugel eine Umströmung der Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn.

Erst die Bodenreibung sorgt letztlich dafür, dass die Luft doch noch aus dem Hoch in Richtung Tief abgelenkt und damit der so wichtige Druckausgleichsprozess realisiert wird (Abbildung 3). Je stärker die Druckunterschiede sind, also je größer die Druckgradientkraft ist, umso heftiger sind dabei die Druckausgleichsprozesse. Oder einfacher ausgedrückt, umso stärker weht der Wind.

Bis hierhin ist die Windstärke also nur abhängig von der Druckgradientkraft und nicht von der Art des Druckgebildes. Doch es kommt noch eine weitere Kraft ins Spiel, welche nur bei gekrümmten Bewegungen auftritt, nämlich die Zentrifugalkraft. Diese drückt auf gekrümmten Bahnen einfach gesagt immer nach außen, was ein Jeder kennt, der einmal schnell mit seinem Auto um eine Kurve gefahren ist, wo man auch das Gefühl hat nach außen getragen zu werden.

Demzufolge unterstützt bei einem Hochdruckgebiet die Zentrifugalkraft die ebenso nach außen gerichtete Druckgradientkraft. Ein Luftteilchen wird bei vorgegebenen Druckverhältnissen in einem Hochdruckgebiet durch die Wirkung der Zentrifugalkraft also zusätzlich beschleunigt. Man spricht hier vom supergeostrophischen Wind. Bei einem Tiefdruckgebiet, wo die Druckgradientkraft ins Tiefzentrum zeigt, findet der entgegen gesetzte Prozess eines Abbremsens statt (subgeostrophischer Wind).

Allgemein gesagt heißt dies, bei einem gleichen Luftdruckgradienten würde der Wind in einem Hochdruckgebiet durch die Supergeostrophie immer stärker wehen als in einem Tiefdruckgebiet. Der Unterschied zwischen Hoch und Tief liegt in etwa bei 15%. Dies erklärt nun auch, warum solch hohe Windgeschwindigkeiten am Freitag und auch am Samstag (Abbildung 2) in einem Hoch möglich sind.

Final bleibt allerdings immer noch die Frage, warum es dann keine Orkanhochs gibt? Dies hat physikalische Ursachen, deren Erklärung etwas zu weit gehen würde. Letztlich ist es so, dass Tiefdruckgebiete theoretisch unendlich klein und intensiv werden können, während Hochs sich nicht beliebig verstärken können sondern in Abhängigkeit vom Breitenkreis einer natürlichen Obergrenze unterliegen.