Keine Erderwärmung

...oder doch? Was ist dran an der neuen Verwirrung um die Entwicklung der globalen Temperatur?

"Bis 2015 oder 2020" soll sich laut einer deutschen Forschergruppe die Erde nun nicht weiter erwärmen. Kieler und Hamburger Klimaforscher haben dies mit neuen, verfeinerten Modellen nachgewiesen. Woher kommen diese Erkenntnisse und wie zuverlässig sind sie? Kritiker sehen in dieser Studie eine Einsicht und ein Rückrudern.

Die für manche wohl erstaunliche Erkenntnis, dass die globale Erwärmung "Pause" macht, erschien in der nature, Ausgabe 453, S. 84-88. Die Aussage, die die Klimaforscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel und dem Max Planck Institut für Meteorologie in Hamburg: bis 2015 oder 2020 werde die globale Temperatur nicht um 0,3°C steigen, wie es noch im letzten Weltklimarat (IPCC) Bericht prognostiziert würde (Abb. 1).

Stattdessen werde die erdumfassende Durchschnittstemperatur in etwa konstant bleiben, und könnte für Mittel- und Nordeuropa sogar für einige Zehntelgrad sinken. In der Tat ist bereits zu beobachten, dass die Globaltemperatur sich eher seitwärts bewegt, also weder nach oben noch nach unten (Abb. 2).

Verfeinerte Modelle
Laut Bericht des Kieler Instituts, dem auch der in den Medien bekannte Professor Mojib Latif angehört, sind die Modelle verfeinert worden. Während in der Prognose des IPCC-Berichts nur die Entwicklung der Treibhausgase in der Atmosphäre berücksichtigt wurden, ist nun auch die Temperatur des Wassers, also die Meeresströmungen (Abb. 4) mit eingeflossen.

Die Ozeane sind bei der Entwicklung langfristiger Prognosen von entscheidender Bedeutung, zum Beispiel wird auch bei der 28-Tages-Prognose von MC-Energy ein gekoppeltes Atmosphären-Ozean-Modell benutzt.

Weniger Wasser aus den Tropen
Für den Stillstand der globalen Erwärmung soll nun ein 70 bis 80-jähriger Zyklus des Atlantik verantwortlich sein, der die Temperatur der Wasseroberfläche abwechselnd steigen und fallen lässt, genannt die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO). Diese wird auch für den Rückgang der Globaltemperatur zwischen den 40er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verantwortlich gemacht. Innerhalb dieser Zirkulation transportieren nordwärts gerichtete Meeresströmungen das warme Wasser der Tropen mal stärker, mal schwächer bis nach Südskandinavien, wobei wir uns momentan in der stagnierenden Phase befinden sollen.

Um die Qualität dieses erweiterten Modells nun zu überprüfen, wurde zunächst eine Prognose in der Vergangenheit gemacht und das Ergebnis mit den Beobachtungen verglichen. Da diese Verifikation bessere Übereinstimmung mit gemessenen Werten lieferte als das reine Atmosphärenmodell, das dem IPCC vorlag, wurde nun auch in die Zukunft gerechnet. Das Ergebnis sieht man in Abb. 3, dort ist dann auch die "Erwärmungspause" zu erkennen.

Nur Erwärmungspause?
Man sieht aber auch gleich, dass aufgrund dieser Prognosen keine Entwarnung gegeben werden kann. Im Gegenteil: Nach dieser Beruhigungsphase wird dann eine umso schnellere Erwärmung simuliert, die 2025 beinahe wieder die Werte der ursprünglichen Klimarat-Prognose erreicht.

 

Kritik: Modelle der Realität nur angeglichen?
Dennoch: dass diese Erkenntnis ausgerechnet von einer Gruppe um Prof. Mojib Latif stammt und veröffentlicht wird, der auch in den Medien häufig vor den Folgen des menschgemachten Treibhauseffekts warnt, sorgt für Unruhe in der Klimadiskussion.

Kritiker behaupten zum Beispiel, dass die jetzigen Modelle nur nachgebessert worden seien, um die beobachtete Realität abbilden zu können, nämlich dass die Globaltemperatur seit nunmehr 10 Jahren nicht mehr steigt. Die Frage kommt auf, wieso denn erst jetzt die Meeresströmungen Beachtung finden, wo sie im IPCC-Bericht 2007, an dem auch Herr Prof. Latif beteiligt war, unerwähnt blieben. Immerhin sei in älteren Berichten des Weltklimarates, etwa dem IPCC-Bericht 1995, gesagt worden, dass

"neue Simulationen mit gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modellen wichtige Informationen über natürliche Klimaschwankungen auf der Zeitskala von Jahrzehnten bis Jahrhunderten geliefert haben"

"Oberflächentemperatur nicht ausreichend"
Wenn sich außerdem eine Temperaturprognose durch das Miteinbeziehen fehlender Faktoren derart grundlegend verändert, sollte man auch genau überprüfen, ob weitere Informationen bisher nicht ausreichend beachtet worden sind.

Ein Beispiel gibt Richard Wood vom staatlichen britischen Wetterdienst MetOffice in der britischen Tageszeitung "The Herald". Er meint, dass lediglich die Wasseroberflächen-Temperatur den Zustand der Atlantischen Multidekadischen Oszillation nicht ausreichend reflektieren würde. Immerhin sind die Strömungen einige Kilometer tief und hängen von weiteren Faktoren wie dem Salzgehalt ab.

Wood meint, wenn man nun das neue Modell weiter verfeinern würde, etwa mit Niederschlags-Informationen, so sei es zunehmend nützlich, wenngleich Prognosen über mehrere Jahrzehnte immer zu einem gewissen Grad unsicher seien.

 

Weiterführende Quellen:

  • nature, Advancing decadal-scale climate prediction in the North Atlantic sector, engl.
  • IFM-GEOMAR, Verfeinerte Klimavorhersagen lassen geringere Erwärmung in den nächsten Jahren erwarten
  • IPCC, Climate Change 1995, Summary for Policymakers (PDF), engl.
  • IPCC 2007, Summary for Policymakers (PDF), engl.
  • Ökologismus, Extremwetter-Latif verheddert sich mit seinen Katastrophenprognosen
  • The Herald, Doubt is cast over global warming, engl.

Hinweis: Für Abb. 5 sind bestimmte Rechte vorbehalten.