Tropensturm im Mittelmeer?

08.11.2011 erstellt von Frank Abel

Mit "01M" wurde zum ersten Mal ein Tief im Mittelmeer als Tropischer Sturm klassifiziert - Hurrikane im Mittelmeer?

So etwas hat es bisher nicht gegeben: Die amerikanische Wetterbehörde NOAA hat das aktuelle Tief über dem Mittelmeer, das zurzeit entlang der Rivieraküsten für verheerende Überschwemmungen verantwortlich ist, als Tropischen Sturm 01M klassifiziert - neuartig ist ein derartiges Tief dort allerdings keinesfalls.

Diese Meldung sorgt nicht nur in meteorologischen Kreisen seit gestern für Aufsehen - sie beginnt mit folgenden unscheinbaren Zeilen im Bulletin der Satellitendivision SSD der amerikanisch-staatlichen Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA:

A.  01M (NONAME) 
B.  07/1800Z 
C.  41.1N D.  5.3E 
E.  THREE/MET-9 
F.  T2.5/2.5/D1.5/24HRS 
G.  IR/EIR/SWIR 
H.  REMARKS...DT=2.5 BASED ON .5 BANDING ON LOG10 SPIRAL. PT=2.5. MET=2.0. 
FT IS BASED ON DT. DEEP CONVECTION HAS PERSISTED LONG ENOUGH AROUND
THE LOW LEVEL CENTER FOR A TROPICAL CLASSIFICATION.

 

Mit anderen Worten: Hochreichende Schauer und Gewitter kreisen organisiert um ein gemeinsames Tiefdruckzentrum ohne erkennbare Frontenstruktur, wie wir sie von sonstigen Tiefs in unseren Breiten gewohnt sind. Hier eine Satellitenanimation von gestern:

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Bei entsprechender Windstärke sind dabei laut NOAA die Bedingungen für die Einstufung als Tropischer Sturm erfüllt. Ein Tropischer Sturm wird ab einer maximalen mittleren Windgeschwindigkeit von 118 km/h zu einem Hurrikan, so die Definition der NOAA, die auch deren Namen vergibt.

Der erste Tropensturm im Mittelmeer?
Der erste Tropische Sturm im Mittelmeer, das kann man in Fachkreisen schon als kleine Sensation beschreiben. Jedoch ist gleich zu erwähnen, dass man es hier keinesfalls mit einem neuen Phänomen zu tun hat. Tiefs, die in Stärke und Form an Hurrikane erinnern, gibt es beinahe jedes Jahr, bei einzelnen von ihnen kann man auch deutlich die Bildung eines "Auges" erkennen.

Diese Tiefs beziehen ihre Energie dabei nicht aus dem Temperaturunterschied der aufeinander treffenden Luftmassen. Sondern Ihr Antrieb erfolgt aus der freiwerdenden latenten Energie bei der Entstehung von hochreichenden Schauern und Gewittern über dem noch warmen Meerwasser. Wenn dabei der Wind nicht störend einwirkt, kann sich wie in den Tropen daraus ein mächtiges Tiefdruckzentrum ausbilden.

Die früher geltende Regel, dass dabei das Meerwasser mindestens 26,5°C haben muss, wurde nach dem Jahr 2005 relativiert. Hurrikane können sich bei entsprechend kalter Höhenluft auch bei Wassertemperaturen von 20 bis 25°C bilden, entscheidend ist dabei der Temperaturgegensatz mit der Höhe.

Frühere hurrikanartige Stürme
Entscheidend bei der Bewertung der jetzigen Nachricht ist jedoch, dass dies nicht das erste Tief dieser Art über dem Mittelmeer ist. Regelmäßig kommt es bei Kaltluftvorstößen im Herbst und Winter dazu, dass sich derartige Tiefs bilden. Berühmte Beispiele sind September 1947, September 1969, Januar 1982, September 1983 und Januar 1995 (Abb. 8) sowie Oktober 2007.

Auch über dem Schwarzen Meer treten vor allem in den Herbstmonaten ähnliche Tiefdruckgebilde auf, die an Hurrikane erinnern, ein berühmtes junges Beispiel stammt vom September 2005 (Abb. 9).

Ob in den letzten Jahren und Jahrzehnten vermehrt derartige Stürme aufgrund globaler Erwärmung aufgetreten sind, bleibt zu untersuchen. Eindeutige Hinweise darauf gibt es derzeit nicht.