Status zum Meereis

16.06.2010 erstellt von Alexandra Mittermeier

Die Ausdehnung des Arktischen Eises hat den bisherigen Negativrekord geschlagen. Trend?

Die Welt und das Wetter scheinen derzeit verquer. Der Wonnemonat Mai zeigte sich in diesem Jahr verbreitet zu kalt und meist auch zu nass. Auch der Juni glänzt bisher nicht mit Hitze bei Rekordwerten, was auch für den restlichen Monat nicht abzusehen ist (Abbildung 1). Für den einen oder anderen daher erstaunlich, dass das Meereis der Arktis dem zu erwartenden Trend (wenn man zumindest von Mitteleuropa ausgeht) nicht wirklich zu folgen scheint. Nach offiziellen Angaben ist die Ausdehnung des Meereises im Nordpolarmeer in den letzen 150 Jahren um knapp 30 Prozent zurückgegangen und auch in diesem Jahr scheint sich der Trend fortzusetzen. Die genauen Ursachen sind dabei nicht vollständig geklärt, die größten Einflussfaktoren sind aber die Meeresströmungen, die Meeresoberflächentemperatur sowie atmosphärische Effekte.

Die Sache mit der Temperatur
Abbildung 2 zeigt die gemessenen Temperaturwerte der Station Ittoqqortoormiit (dänisch: Scoresbysund), die isoliert im Osten Grönlands am Ausgang des Fjordkomplexes des Scoresbysundes und am Ostrand des Nordost-Grönland-Nationalparks liegt. Die Abbildung zeigt, dass jeweils die ersten Monatshälften des April und Mai deutlich über dem Durchschnitt der Temperatur der Jahre 1961 bis 1990 liegen, ebenso fast der gesamte Januar. Abbildung 3 zeigt die Abweichung der Lufttemperatur in 925 hPa (also etwa 1000 Meter über dem Grund) für Mai 2010 für die gesamte Arktis. Diese zeigt, dass es über dem Arktischen Meer, insbesondere des Sibirischen Küste, zu warm war („grün“ bedeutet leicht zu warm, „rot“ deutlich zu warm, „blau“ und „lila“ dagegen negative Abweichungen). Damit hätte sich der Trend des vorangegangenen Winters fortgesetzt (dort waren es 2 bis 5 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel). Ursache dafür war ein starkes Tief über der Beaufortsee, welches für südliche Winde an den Sibirischen Küsten sorgte und damit die Temperaturwerte deutlich steigen ließ (eine Ausnahme scheinen dagegen eher die Inseln der Kanadischen Arktis gewesen zu sein).

Der aktuelle Stand

Die Ausbreitung des Meereises lässt sich insgesamt recht einfach mit Satelliten messen. Schwieriger wird es dagegen bei der tatsächlichen Dicke und bei der Bestimmung des Alters des Eises. Hierfür gibt es meist nur Punktmessungen oder Modellergebnisse, welche mit einem größeren Fehler behaftet sind. Abbildung 4 zeigt die Ausdehnung des Meereises (dazu müssen mindestens 15% der Fläche mit Eis bedeckt sein). Der graue Bereich ist dabei der Durchschnitt, die grüne Linie das bisherige Jahr des negativen Rekords 2007. Ab Mitte Mai diesen Jahres wurde aber sogar dieser Negativrekord eingeholt.
Aber auch das Eisvolumen geht deutlich zurück, wie der Trend in Abbildung 5 zeigt. Achtung: der Trend bezieht sich aber nur auf die Jahre 1979 bis 2009 und der Graph stammt vom Modell „Pan Arctic Ice Ocean Modeling and Assimilation System“ (PIOMAS). PIOMAS vermischt dafür Satellitenbeobachtungen, Messungen von unterseeischen und verankerten Stationen sowie numerische Modelle, um eine Abschätzung zu treffen. Demnach lag also das Volumen im Mai 2010 nach Modellangaben um 42% niedriger als unter dem höchsten Werte 1979.

Der Trend
Das Arktische Meereis hat einen typischen Jahresgang: Das Maximum der Ausdehnung liegt meist im März, das Minimum wird im September erreicht. Abbildung 6 zeigt, wo dabei die Eismassen typischerweise zu finden sind, Abbildung 7 die tatsächliche Ausdehnung im Mai 2010. Demnach wurden 13,1 Millionen Quadratkilometer erreicht. Der Verlust der Meereisfläche im Monat Mai lag bei 68.000 Quadratmeter pro Tag, was fast einer Verdopplung des mittleren Rückgangs entspricht. Abbildung 8 zeigt die tatsächliche Eiskonzentration farbig dargestellt für den 13. Juni 2010.

Fazit
Zwar mag es im Moment den Anschein haben, als ob uns ein neues Negativrekordjahr bevorsteht, allerdings ist die Abschätzung alles andere als trivial. Das Institut für Meereskunde der Universität Hamburg rechnet mit einem Minimum von 4,9 Millionen Quadratkilometern (mit einem Fehler von 0,2 Millionen Quadratkilometern, Stand 13. Juni 2010), der Negativrekord von 2007 würde somit nicht gebrochen werden (siehe hier, der täglich aktuelle Stand findet sich hier, die Schätzung des ARCUS findet sich hier). Auch das Jahr 2006 startete ähnlich wie in diesem Jahr, lag aber dann letztendlich im oberen Bereich des Minimums. Es ist also noch alles offen.