Oder-Hochwasser aktuell

26.05.2010 erstellt von Frank Abel

In Ratzdorf und Frankfurt an der Oder bereiten sich Katastrophenschützer auf die höchste Alarmstufe vor

Der Scheitel des Oderhochwassers befand sich am Mittwochmorgen gute 100 km vor der deutsch-polnischen Grenze. Da der Höhepunkt des Hochwassers nun 8 bis 10 Stunden früher kommt, als gestern noch prognostiziert, ist nun besondere Eile angesagt. 

Genauer befindet sich der Höhepunkt des Hochwassers mittlerweile im Raum Nowa Sól bei Oder-Kilometer 429. Hier wurde am Mittwochmorgen um 6 Uhr ein Pegel von 652 cm gemessen, über 2 Meter über der Hochwassermarke (aktuelle Werte gibt es hier).

"Noch nie gehabt"
In Polen hat das Hochwasser dramatische Ausmaße. Der Chef des polnischen Meteorologieinstituts IMGW, Mieczyslaw Ostojski, sagte laut Welt sogar, dass sie solch ein Hochwasser noch nie gehabt hätten. Fast 2000 Gebäude und 42 Verbindungsstraßen sind bisher in Mitleidenschaft gezogen, weil einige Dämme an Oder und Weichsel gebrochen sind. Noch schlimmer aber: Die Oderflut in Polen hat bereits 15 Menschen das Leben gekostet.

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Das Besondere an dieser Flut sei, dass der Pegel nicht binnen kurzer Zeit wieder sinkt, sondern die Scheitelwelle sehr lang gezogen sei und die Deiche dem extremen Wasserstand über mehrere Stunden standhalten müssen.

Teilweise wird nun mit Armeehubschraubern versucht, Betonelemente und Schutt zu den Bruchstellen zu bringen, um die Deiche zu flicken, was jedoch nur in sehr begrenztem Ausmaß funktioniert hat. An anderen Stellen wird kontrolliert gesprengt, um das Wasser in das Hinterland laufen zu lassen.

Kein Hochwasser wie 1997
Angesichts dieser Zustände in Polen wächst nun auch in Brandenburg die Angst vor dem Oderhochwasser. Doch gibt es nach derzeitigem Wissensstand nur Grund zu hoher Aufmerksamkeit, jedoch keinen Grund zur Panik. Zustände wie beim Oderhochwasser 1997 werden wohl nicht herrschen. Damals lag der Oderpegel in Frankfurt bei über 650 cm (im Mittel 223 cm), in Eisenhüttenstadt über 700 cm (Mittel 296 cm). 

Aktuell (Stand Mittwochmorgen 26.05.10) liegt der Pegel in Eisenhüttenstadt bei  548 cm und ist in den letzten 24 Stunden um 53 cm gestiegen. Das Landesumweltamt Brandenburg hat für den Landkreis Oder-Spree die Hochwasser-Alarmstufe II ausgerufen. Insgesamt gibt es vier Alarmstufen, wobei erst bei der höchsten Katastrophenalarm herrscht. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass bereits am heutigen Abend die Alarmstufe III empfohlen wird, und auch die höchste Alarmstufe IV ist in den nächsten Tagen nicht ausgeschlossen. Die Scheitelwelle wird wohl in Richtung Wochenende Brandenburg erreichen und der Pegel danach nur sehr langsam zurückgehen. 

Hintergrund: Hochwasser-Alarmstufen
An den großen deutschen Flüssen wie auch der Oder gibt es ein genau abgestuftes System zur Hochwasser-Überwachung. Alle Pegelwerte werden dabei für die jeweiligen Flussabschnitte individuell festgelegt. Zunächst gibt es eine Hochwassermeldemarke, ab der die Pegelstände in regelmäßigen Abständen gemeldet werden müssen. 

In Brandenburg ist hierfür das Hochwasserzentrum des Landesumweltamtes zuständig. Es ruft auch die Alarmstufen I und II aus, während für die Stufen III und IV nur Empfehlungen an die Oberbürgermeister und Landräte gegeben werden. Bei den höheren Stufen rufen diese auch den Krisenstab der Landesregierungen zusammen.

Alarmstufe I - Wasserstandsmeldedienst
Bei der ersten Alarmstufe kommt es hier und da zu einer ersten Übertretung des Flusses über die Ufer. Normalerweise wird diese Alarmstufe nur ausgerufen, wenn ein weiteres Ansteigen erwartet wird. Die Frequenz der Pegelmeldungen wird dabei erhöht, Schutzanlagen werden überprüft und das Überschwemmungsgebiet kontrolliert, ob es denn auch geräumt ist.

Alarmstufe II - Kontrolldienst
Nun tritt der Fluss allmählich aus seinem Flussbett heraus, wobei erste Wiesen- und Waldflächen überflutet werden, teils erreicht das Flusswasser den Fuß der Deiche. Ein festgelegtes Kontroll- und Meldesystem wird nun aktiviert, Deiche und Sperrtore müssen täglich überprüft werden. Außerdem wird ein durchgehender Wachdienst vorbereitet, der Transport von Sandsäcken und anderen Schutzmaterialien wird ebenfalls auf die Wege gebracht.

Alarmstufe III - Wachdienst
Bei Ausrufung der Alarmstufe III kann das Wasser tiefer gelegene Straßen und Keller erreichen und überfluten. Meist liegt der Flusspegel dann auf der Hälfte der Deichhöhe, sodass durch den Wasserdruck das Flusswasser den grob gelagerten Kies des Deiches durchdringen und unter ihm hindurchsickern kann. Dabei kann es zu ersten Deichschäden kommen, die durch Experten dann wieder abgedichtet werden können.

Alarmstufe IV - Katastrophenabwehr
Die höchste Alarmstufe wird ausgerufen, wenn die Funktion der Hochwasserschutzanlagen akut gefährdet sind, also auch der Deich brechen kann. Der Fluss kann über die Deichkrone schwappen. Keller, Häuser, Straßen, Schienen und weitere Einrichtungen sind dann in den entsprechenden Gebieten oft schon über weite Flächen überschwemmt. Es werden konkrete Vorbereitungen zur Evakuierung getroffen.

 


Bilderlizenzen:

Abb. 1: CC-by
Abb. 2: CC-by-nd