Unwetter Kanaren

04.02.2010 erstellt von Frank Abel

Zum wiederholten Male in diesem Winter hat es Unwetter auf den Kanaren gegeben. Was ist die Ursache?

Zum Monatswechsel und in den ersten Tagen des Februars hat es auf den Kanarischen Inseln heftige Regengüsse gegeben, außerdem sollen extreme Orkanböen aufgetreten sein. In einem spanischen Wetterforum wird von bis zu 188 km/h berichtet. Wieso treten auf den sonst so ruhigen "Inseln des ewigen Frühlings" zum wiederholten Male diese Unwetter auf?

Der konkrete Fall
Aktuell war der Verursacher der Unwetter ein kleinräumiges und intensives Tiefdruckgebiet, das sich auf der Vorderseite eines Kaltluftvorstoßes über dem Atlantik am 26./27. Januar 2010 gebildet hatte. Vom mittleren Nordatlantik zog es dann auf einem west-südwestlichen Kurs auf die Kanarischen Inseln vor der Küste Nordafrikas zu (Abb. 2). Dabei konnte es sich im linken Auszug eines so genannten Jetstreams (Abb. 3) weiter verstärken.

An diesem Starkwindband in der Höhe an der Grenze zweier Luftmassen können sich immer wieder teils kräftige Tiefs über dem milden Meerwasser bilden, weswegen im Englischen auch oft die Bezeichnung "storm track" verwendet wird.

Dieses kräftige Sturmtief zog dann von Südwesten über die Kanarischen Inseln, wobei sich die in ihm transportierte feucht-milde Luft (Abb. 4) in Form kräftiger schauerartiger Regengüsse und Gewitter entlud. Dabei kamen teils enorme Niederschlagssummen zusammen:

  • 31. Januar 2010
    138 mm in Tejeda, Gran Canaria
    81,1 mm in Ortiz, Arico, Teneriffa
    70,5 mm in El Bueno, Arico, Teneriffa

  • 1. Februar 2010
    242 mm in Finca España, La Laguna, Teneriffa
    233 mm in Museo de La Ciencia, La Laguna, Teneriffa
    226,3 mm in San Miguel de Geneto, La Laguna, Teneriffa
    218,4 mm in La Verdellada, La Laguna, Teneriffa
    212 mm in Los Andenes, Santa Cruz, Teneriffa
    210,4 mm in La Gallega, La Laguna, Teneriffa

  • 2. Februar 2010
    212 mm in Santa Cruz de La Palma (Daten nur bis 17:45 Uhr)
    104,4 mm in Breña Alta, La Palma
    98 mm in Los Llanos de Aridane, La Palma

(Zusammenfassung von Foro Meteored, zum Vergleich: der mittlere Jahresniederschlag in Berlin liegt bei etwa 590 mm)

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Woher diese Unwetter?
Schon im November vergangenen Jahres wurden ganze Regionen überschwemmt, wie man zum Beispiel im Focus oder in unserem News-Archiv nachlesen kann. Wie kommt es dazu, dass eine Urlaubsregion, die sonst bekannt für ihre beständige und ruhige Witterung ist, plötzlich so häufig in den Nachrichten wegen ihrer Unwetter auftaucht?

Grund dafür ist eine periodische Schwankung in der Atmosphäre, die seit den 1920er Jahren unter dem Namen Nordatlantische Oszillation oder kurz NAO bezeichnet wird. Die NAO bezeichnet dabei die Schwankung des mittleren Luftdrucks zwischen Island-Tief und Azoren-Hoch. Zu der NAO gibt es den NAO-Index, der die verschiedenen Phasen dieser "Schwingung" bezeichnet.

Die NAO und der NAO-Index
Ist der NAO-Index positiv, so ist sowohl das Islandtief als auch das Azorenhoch stärker als im Mittel ausgeprägt, ist er negativ, so ist das Islandtief sowie das Azorenhoch schach. Es gibt auch einen stark negativen NAO-Index, dann ist bei den Azoren sogar ein Tief und bei Island ein Hoch zu finden. Die NAO schwankt zeitlich stark, wobei gleich mehrere Schwingungen überlagert sind, angefangen bei einer kurzzeitigen mit einer Periode von 2-5 Jahren über eine dekadische im Bereich von etwa 12 Jahren bis hin zu einer multidekadischen von etwa 70 Jahren (Abb. 5), momentan ist der NAO-Index leicht negativ (Abb. 6).

Diese Luftdruckverhältnisse haben natürlich entscheidende Bedeutung für die Witterung bei uns in Europa, besonders in den Wintermonaten werden die verschiedenen NAO-Modi spürbar. Das liegt nicht zuletzt daran, dass unser Wetter in den gemäßigten Breiten maßgeblich vom Atlantik beeinflusst wird. Was passiert nun bei den verschiedenen Phasen? Dazu betrachten wir die Abb. 7.

Positiver NAO-Index
Ist der NAO-Index positiv, also Azorenhoch und Islandtief gut ausgeprägt, so ist auch die Westdrift kräftig. Dadurch können atlantische Tiefs Mittel- und Nordeuropa gut erreichend, und der Winter wird in unseren Breiten eher milder und feuchter als normal, wobei auch kräftige Stürme auftreten können. Bekannte Beispiele sind die Orkane Wiebke, Lothar und Kyrill. 

Gleichzeitig "drückt" es die sibirischen Kältehochs von Osten eher in den Mittelmeerraum, sodass der Winter hier kälter als normal verläuft. Auch Grönland und die Ostküste Amerikas bekommen am Rand des kräftigen Islandtiefs einen kalten Winter.

Negativer NAO-Index
Bei schwach ausgeprägten Luftdruckgegensätzen ist auch der Westwind in den mittleren Breiten nicht besonders augeprägt. Daher schaffen es die Tiefdruckgebiete von Westen her kaum nach Nordeuropa, sondern ziehen mit dem Jetstream ("storm track") südlicher in den Mittelmeerraum, was auch die Ursache für die Unwetter auf den Kanarischen Inseln darstellt. Gleichzeitig ist damit der Weg frei für sibirische Kältehochs von Osten, die nun leichter von hier nach Mittel- und Nordeuropa vordringen und für einen oft zu kühlen und teils zu trockenen Winter sorgen können.

Gleichzeitig haben es Kaltluftvorstöße über den USA leichter, südwärts vorzustoßen, während auf ihrer Vorderseite die wärmere Luft einfacher bis nach Grönland vordringen kann. So kommt es von der Nordostküste Amerikas bis nach Grönland zu übernormalen Temperaturen und einem außergewöhnlich milden Winter, wie aktuell auch zu beobachten ist.

So sind mit dem NAO-Index viele Phänomene, die in diesem Winter 2009/2010 teils als "Wetterkapriolen" bezeichnet werden, bereits erklärt. Diese periodisch auftretenden atmosphärischen und ozeanischen Schwankungen sind gegenwärtig von hohem Interesse in der Forschung und noch nicht hinreichend geklärt, insbesondere nicht die Verbindung mit anderen Oszillationen, sowie der Arktischen Oszillation (AO) und der Pazifischen Dekaden-Oszillation (PDO).

 

Abb. 1 unterliegt der CC-by Lizenz