Grippe und Wetter

06.05.2009 erstellt von Frank Abel

Haupt-Grippezeit ist der Winter. Wie das Wetter die Verbreitung von Viren wie der 'Schweinegrippe' beeinflusst

Das Wort "Influenza" stammt aus dem Italienischen und bedeutet "Einfluss" im Sinne von "Einfluss der Jahreszeit". Tatsächlich ist Grippezeit immer der Winter, auf der Nordhalbkugel also November bis März. Hängt die Verbreitung der Grippe tatsächlich vom Wetter ab? Und wenn ja, wie lässt sich das mit der pandemieartigen Entwicklung der Schweinegrippe im Mai vereinbaren? Forscher machten hier teils überraschende Entdeckungen.

Sie gingen also der Frage nach, warum Infektionen im Winter, also bei kühlen und eher trockenen Bedingungen, deutlich zunehmen. Zunächst wurde diese Hypothese überprüft. Forscher der Mount Sinai School of Medicine in New York maßen die Übertragungsrate von Influenza-Viren bei unterschiedlichen Temperaturen und Luftfeuchtigkeitswerten an Meerschweinchen. Diese sind sehr empfänglich für das Virus, zeigen aber bei Infektion kaum Symptome.

Versuch: Höchste Verbreitung bei kalt-trockenen Bedingungen?
In dem Versuchsaufbau wurde je ein infiziertes und ein gesundes Tier in benachbarte Käfige gesperrt. Dadurch sollte die Ansteckung allein über den Luftweg erfolgen und nicht im direkten Körperkontakt. Auf der Seite des infizierten Meerschweinchens sorgte ein Ventilator für die richtige "Windrichtung" (Abb. 2).

Nun wurden Temperatur und Luftfeuchtigkeit verändert und die Übertragungsrate kontrolliert. Dabei bemerkten die Forscher einen markanten Anstieg der Infektionen bei niedrigen Temperaturen, obwohl das Immunsystem der Meerschweinchen voll intakt war. Dieses widerspricht der weit verbreiteten These, dass sich die Grippeviren wegen geschwächter Abwehrkräfte im Winter besser verbreiten.

Grippe-Übertragungs-Modell

  1. Die Tröpfchenübertragung ist abhängig von der Luftfeuchtigkeit. Am stabilsten sind die Influenzaviren bei rund 20% relativer Feuchte, am zerbrechlichsten bei etwa 50% (Schaffer et al., 1976), sie werden dann bei hohen Luftfeuchtigkeitswerten wieder stabiler.
  2. Bei hoher Luftfeuchtigkeit funktioniert die Übertragung dennoch schlechter, da sich dann an die kleinen Tröpfchen weitere anlagern. Die Tropfen werden schwerer und sinken wegen der Schwerkraft schneller zu Boden. Bei Werten nahe 100% funktioniert die Tröpfcheninfektion daher kaum noch.

Abb. 3 zeigt dieses Übertragungsmodell. Wie zu sehen, ist die Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit bei niedrigen Temperaturwerten geringer, es bleibt aber dabei, dass hohe Werte eine Infektion unwahrscheinlicher machen.

Bei 30°C konnte übrigens auf dem beschriebenen Wege keine Infektion mehr nachgewiesen werden. Das führt zu der Annahme, dass die Grippeviren in den Tropen nur noch über direkten Körperkontakt übertragen lassen.

Sonderfall Pandemie
Wieso kann sich die Schweinegrippe dann zu einer so untypischen Zeit, im Mai, so gut verbreiten?

Bei neu entstandenen Virenstämmen gibt es laut Dr. Jeffrey Taubenberger (CDC) kaum eine Abhängigkeit von der Jahreszeit. Das veränderte Virus findet ein gänzlich unvorbereitetes Immunsystem beim Menschen vor und kann sich dennoch gut verbreiten. So geschah es auch bei der verheerenden Spanischen Grippe von 1918, sie infizierte ein Drittel der Weltbevölkerung und forderte zwischen 50 und 100 Millionen Tote. Ihren Höhepunkt fand sie weltweit nahezu zeitgleich in den Monaten September und Oktober.

So liegt die Vermutung nahe, dass sich ähnlich wie bei der Spanischen Grippe auch bei der Schweinegrippe mehrere Höhepunkte der Infektionen ergeben. Zunächst wird sich die Ausbreitung in den Sommermonaten vermutlich abschwächen, da Temperaturen und Luftfeuchtigkeit im Mittel zunehmen und sich die Menschen nicht so geballt in geschlossenen Räumen aufhalten.

Man sollte aber, so vermutet auch Meteorologe Jeff Masters hier, mit weiteren Höhepunkten der Schweinegrippe ab dem Herbst rechnen, eventuell auch in einer mutierten, gefährlicheren Form.

 

Anhang

Abbildungen:

  • Abb. 2 und 3: Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2007, "Influenza Virus Transmission Is Dependent on Relative Humidity and Temperature", PLos Pathogons, October 2007 Link. Sie unterstehen der CC-by Lizenz.

Weiterführende Quellen:

  • Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2007, "Influenza Virus Transmission Is Dependent on Relative Humidity and Temperature", PLos Pathogons, October 2007. Link
  • Lowen, A.C., S. Mubareka, J. Steel, and P. Palese, 2009, "High Temperature (30°C) Blocks Aerosol but Not Contact Transmission of Influenza Virus", Journal of Virology, June 2008, p. 5650-5652, Vol. 82, No. 11 0022-538X/08/$08.00+0 doi:10.1128/JVI.00325-08 Link
  • Schaffer, F.L., M.E. Soergel, and D.C. Straube, 1976, "Survival of airborne influenza virus: effects of propagating host, relative humidity, and composition of spray fluids", Arch Virol 51: 263-273.
  • Dr. Jeff Masters, "Influenza and weather", Wunder Blog Link