Regen ohne Regen

13.01.2009 erstellt von Frank Abel

Niederschlagsechos ohne Niederschlag: Was man wissen muss, um ein Radar richtig zu deuten

Wer heute auf das Niederschlagsradar sieht, der könnte mehr Regen auf sich zukommen sehen als eigentlich fällt. Mehr noch: Zum Teil werden da mäßige Niederschlagsechos angezeigt, wo es trocken bleibt. Ein technischer Fehler? Nein, es gibt bei Niederschlagsradaren einige physikalisch unvermeidbare Tücken, die man wissen muss, um die Bilder richtig zu interpretieren.

Grundsätzliches zum Niederschlagsradar
Um das zu verstehen, ist es natürlich von Bedeutung, das Grundprinzip eines solchen Radars zu kennen: Ein Niederschlagsradar besteht aus Sender und Empfänger sowie einer Parabolantenne, die rotiert. Dabei werden gebündelte elektromagnetische Impulse in verschiedenen Winkeln ausgesendet. Wenn dieser Strahl auf ein Hindernis trifft, so wird er teilweise zurück reflektiert und erreicht wieder die Antenne (Abb. 1).

Nun kann man aus der Stellung der Antenne, der Zeit bis zur Ankunft des reflektierten Signals und dessen Intensität den Ort, die Entfernung und die Stärke des Niederschlags bestimmen. 

Natürliche Grenzen
Es wäre schön, wenn dieses Grundprinzip auch so unproblematisch in die Praxis umgesetzt werden könnte. Doch gibt es in der Natur einige Grenzen, die man kennen sollte, wenn man sich ein Radarbild betrachtet. Die wichtigsten sind hier kurz zusammengefasst:

  1. Der Radarstrahl besteht aus dem Hauptstrahl und einem unvermeidbaren Nebenstrahl. Dieser besitzt zwar nur ein Tausendstel der Energie, trifft aber auch auf Gegenstände am Erdboden, die ein sehr starkes Echo hervorrufen. So sieht man manchmal im Radarfilm körnige, sich kaum bewegende und sprunghaft wechselnde Echos in der Nähe der Radarstationen, so genannte Ground Clutter.
  2. Die Richtung des Radarstrahls ist auch abhängig von den Bedingungen in der Atmosphäre. Gerade wenn die Temperatur mit der Höhe sprunghaft ansteigt, wie bei winterlichen Hochdruckwetterlagen (Inversionslagen), kann der Strahl im Extremfall zum Erdboden hin gebogen werden und ihn auch erreichen (Superrefraktion). Dann sind auch in größeren Entfernungen vom Radarstandort Ground Clutter sichtbar. Anders herum sorgt eine labile Schichtung (etwa bei Gewitterlagen) für eine Subrefraktion, also eine Krümmung des Strahls nach oben hin. Dadurch verringert sich die Reichweite des Radars, kräftige Schauer oder Gewitter werden also eventuell zu schwach dargestellt.
  3. Durch die Erdkrümmung steigt tiefste erfassbare Höhe mit zunehmender Entfernung vom Radarstandort an (Abb. 2). Genähert bedeutet das, dass das Niederschlagsradar in 100 km Entfernung ab 780 Meter Höhe aufwärts messen kann, in 150 km Entfernung ab knapp 2 km, in 200 km sogar erst ab gut 3 km Höhe (Abb. 3). Dadurch wird Niederschlag entweder als zu schwach dargestellt, (da die Tröpfchen auf dem Weg nach unten immer größer werden), oder der Niederschlag verdunstet teilweise oder ganz. In diesem Fall kann es also Echos geben, wo kein Niederschlag auftritt.

Regen, wo kein Regen ist
Natürlich gibt es eine Reihe technischer Hilfsmaßnahmen, um diese störenden, nicht vermeidbaren Nebeneffekte zu filtern. Den Ground Clutter filtert man hierbei teilweise durch Software. Die Probleme, die aus zunehmender Entfernung zum Radarstandort entstehen, versucht man durch eine Überlappung der Reichweiten mehrerer Radarstandorte zu kompensieren. Beides funktioniert jedoch nur teilweise.

Das beste Beispiel hierfür liefert der frühe Morgen des 13. Januar 2009. Hier steht sich das Hoch Beeke mit seiner trockenen Kaltluft einem Tiefkomplex über dem Nordmeer gegenüber. Die Frontalzone verläuft dabei von Skandinavien bis in die Osteuropäische Tiefebene. Man erkennt in Abb. 4 in diesem Bereich in etwa 3 km Höhe eine Warmluftzunge, sie gehört zur Front des Tiefs Dominik (Abb. 5).

Beispiel 13. Januar 2009
Weiter unten jedoch herrscht trockene Festlandsluft vor, dies ist sehr gut im Radiosondenaufstieg in Abb. 6 zu erkennen. Die durchgezogene Linie zeigt dabei den Temperaturverlauf in der Höhe, die gestrichelte ist ein Maß für die Luftfeuchtigkeit. Man erkennt unterhalb von 3 km Höhe, dass die Luft hier sehr viel trockener ist. Hier ist der komplette Niederschlag, der durch das Radar in der Höhe noch erfasst wurde, auf seinem Weg zum Erdboden verdunstet.

In Abb. 7 sieht man, dass es sich gerade nach winterlichem Hochdruckeinfluss lohnt, das Niederschlagsradar mit den Meldungen der Wetterstationen zu vergleichen: Am frühen Morgen des 13. Januars fiel nur im äußersten Nordwesten Regen, weiter in Richtung Süden und Osten blieb es trotz mäßiger Niederschlagsechos (siehe Pfeil) trocken.

 

Weitere Informationen:

Eine sehr gute Zusammenfassung ist hier zu lesen.