Tornadogefahr?

01.08.2008 erstellt von Frank Abel

In einigen Medien erschien gestern die Meldung, dass heute mit Tornados zu rechnen sei. Was ist dran?

Unter anderem in Spiegel Online erschien gestern die Meldung, dass mit Durchgang der Kaltfront (wir berichteten) auch mit Tornados im Osten und Südosten Deutschlands zu rechnen sei, da bei Temperaturen bis 34°C die "Gewitter geradezu explodieren". Doch zur Entwicklung eines Tornados gehört mehr als nur Hitze. Wir schauen heute etwas genauer hin.

Zunächst sei dabei empfohlen, den gestrigen Artikel zu lesen, um sich über die Wetterlage im Klaren zu sein. Grundsätzlich erreicht uns mit dem Tief Amelie kältere Luft von Westen her, und es muss auch damit gerechnet werden, dass sich bereits im Vorfeld dieser Kaltfront an einer so genannten Konvergenzlinie Gewitter ausbilden können.

Wie sieht es aber nun mit Tornados aus?
Am häufigsten entstehen Tornados im Zusammenhang mit einer so genannten Superzelle. Eine Superzelle ist eine Gewitterzelle mit ganz bestimmten Merkmalen, ein Schema ist in Abb. 1 oder in größerer Auflösung hier zu sehen.

Ihr wichtigstes ist die Rotation der Gewitterwolke. Durch den Aufwind entsteht ein lokaler Unterdruck, zum Ausgleich "möchte" die Luft von den Seiten einströmen. Durch die Rotation der Superzelle und das gleichzeitige Heranströmen von den Seiten nimmt die Geschwindigkeit der Rotation immer weiter zu, dies nennt man den Pirouetteneffekt.

Sind Rotation, Luftfeuchtigkeit und Wärme ausreichend, so setzt sich diese Rotation bis zum Boden hin fort, und ein Tornado kann sich bilden. Man schätzt, dass bei etwa jeder zehnten Superzelle ein Tornado auftritt.

Hier ein bekanntes Beispiel eines Tornados, aufgenommen in Micheln in Sachsen-Anhalt am 23.06.2004:

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Zutaten für die Tornado-Entstehung
Damit wären die Hauptzutaten hinreichend beschrieben: Damit überhaupt ein Gewitter entstehen kann benötigt man

  1. Luftfeuchtigkeit und Wärme, um die Energie bereitzustellen.
  2. Labilität, das bedeutet schnell genug sinkende Temperatur mit der Höhe, damit die feuchtwarme Luft aufsteigen kann.

    Damit aus einer Gewitterzelle eine Tornado produzierende Superzelle wird, benötigt man aber insbesondere

  3. Windscherung, das bedeutet genug Änderung des Windes in Richtung und Geschwindigkeit mit der Höhe, damit die Zelle in Rotation geraten kann.

Schauen wir nun, ob diese Zutaten für heute ausreichend zur Verfügung stehen:

Sind die Tornado-Zutaten vorhanden?
Unbestritten kann man sagen, dass das Angebot von Energie reichlich ist. Die Temperaturen könnten an der Oder heute noch bis 33°C klettern, zudem dreht auf der Vorderseite der Kaltfront bzw. der vorauslaufenden Konvergenzlinie der Wind zunehmend auf südliche Richtungen, womit genug Hitze, insbesondere aber auch Luftfeuchtigkeit herankommt. Damit wäre die Zutat 1 nach Osten hin zunehmend vorhanden, auch an den so genannten CAPE-Karten zu sehen, die die zur Verfügung stehende Energie anzeigen (Abb. 2).

Ein paar Abstriche muss man allerdings bereits bei Zutat 2 machen. Zwar wird alleine durch die Kaltfront die Luft ausreichend nach oben befördert, jedoch sinkt die Temperatur mit der Höhe nicht so extrem, wie man in Abb. 3 erkennen kann, hier ist die Temperatur in ca. 5,5 km Höhe zu sehen.

Ebenso moderat sieht es in Sachen Windscherung aus. Schaut man sich den Osten Deutschlands in der Prognose für 17 Uhr an, so sieht man am Boden einen schwachen südlichen Wind, in 5,5 km einen ähnlich schwachen Südwestwind (Abb. 4.1 und 4.2). In den Luftschichten dazwischen nimmt die Windgeschwindigkeit zwar zu, aber nicht in dem Maße, wie es für die verbreitete Bildung von Superzellen erforderlich wäre.

Wie groß ist die Tornadogefahr?
Da nach gegenwärtiger Prognose nicht alle Zutaten in optimalem Maß vorhanden sind, kann man gegenwärtig davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit von Tornados sehr gering ist.

Ganz ausschließen kann man die Bildung einzelner Ereignisse zwar nicht, insbesondere nicht im Süden Deutschlands, da hier etwas mehr Energie zur Verfügung steht und auch die Windscherung geringfügig besser ist (Abb. 5 von Estofex), aber die Gefahr für jeden Einzelnen, von einem Tornado behelligt zu werden, ist doch extrem gering. Eher muss in Süddeutschland durch ein von Frankreich heranziehendes System mit gewittrigen Regengüssen auf lokale Überflutungen geachtet werden.

Trotz nach gegenwärtigem Stand geringer Gefahr sollte man jedoch die Entwicklung des heutigen Tages im Auge behalten, da sich kurzfristig Änderungen aufgrund der aktuellen Wetterlage ergeben könnten, eine Tornadowarnung wäre jedoch zum jetzigen Zeitpunkt überhastet.