Sturm "Sandy" - Eine Erklärung

Die US-Ostküste bereitet sich auf einen "Jahrhundertsturm" vor - wie entsteht solch ein "perfekter Sturm"?

Der Präsident hat in den USA den Notstand ausgerufen, Busse und Bahnen bleiben in New York in den Depots, das öffentliche Leben steht still, und 375.000 Menschen sind derzeit vor dem Sturm Sandy auf der Flucht. Dort wird er auch als "Perfect Storm" nach dem bekannten Kinofilm bezeichnet. Wie entsteht solch ein Sturm und was droht?

Drohende Gefahren
Noch-Hurrikan Sandy befand sich um 7 Uhr am Montagmorgen 685 km südsüdöstlich vor New York City mit mittleren Winden von 120 km/h, die um sein Auge wehten. Der weitere Weg des Zentrums von "Sandy" ist im Detail zwar nicht sicher, aber in der kommenden Nacht auf Dienstag wird es vermutlich bei New Jersey an Land gehen und sich dabei zunächst kaum abschwächen. Aktuelle Prognosen (Abb. 3) rechnen mit einem Kerndruck von unter 950 hPa, ein beachtlicher und rekordverdächtiger Wert.

Bereits in der Nacht zum Montag (Ortszeit) traten orkanartige Böen mit Windspitzen über 100 km/h an der Küste von North Carolina und dem südöstlichen Virginia auf. Unsere Prognosen zeigen ab dem heutigen Abend und in der Nacht zum Dienstag Ortszeit verbreitet Orkanböen mit über 120 km/h (Abb. 4), örtlich sind auch deutlich höhere Werte denkbar.

Das National Hurricane Center warnt im Zusammenhang mit dem starken Wind vor extremer Sturmflut, dabei könnte das mittlere Hochwasser auf dem südlichen, zu New York City gehörenden Rhode Island zu Flutzeiten um 1,5 bis 3,5 Meter überschritten werden. Dabei werden Regionen überschwemmt, die deutlich weiter in das Landesinnere reichen, als dies bei normalen Fluten der Fall ist. In Washington, D.C. und in New York sowie anderen Metropolen der Mittelatlantikstaaten befürchtet man, dass U-Bahnen überflutet werden könnten. Hinzu kommen Regenmengen von 100 bis 200 Litern pro Quadratmeter in den Mittelatlantikstaaten inkl. New York und New Jersey (Abb. 5). Verbreitet wird auch mit Stromausfällen gerechnet.

Alles in allem sehen wir uns also am Beginn eines historischen Unwetters mit wahrscheinlichen Schäden von mehreren Milliarden US-Dollar und entsprechender Gefahr für Leib und Leben. Die Frage ist: Wie kann so ein Sturm entstehen?

"Perfect Storm" - Der perfekte Sturm
Spätestens seit dem Hollywood Blockbuster "Der Sturm" (engl. "The Perfect Storm") mit George Clooney ist der Begriff des perfekten Sturms bekannt geworden. Der Film basiert auf den Halloween-Sturm aus dem Jahre 1991, wo unter ganz ähnlichen Zutaten ein solch extremes Unwetter entstanden ist. Damals waren es Überbleibsel des Hurricanes "Grace", die weiter nördlich auf eine Kaltfront vom Landesinneren trafen. Hier eine Satellitenanimation von damals:

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Alle Zutaten müssen gegeben sein
Damit haben wir auch schon das Hauptcharakteristikum für die Entstehung eines perfekten Sturms: ein tropisches System muss auf ein markantes Tief der höheren Breiten treffen. Dieses kommt sehr selten vor und erfordert, dass der tropische Sturm auf der einen Seite noch stark genug ist, zum anderen der Kaltluftvorstoß ausreichende Intensität besitzt und drittens auch noch die sonstige Druckkonstellation für die entsprechende Zugbahn gegeben ist.

Allein bei dieser Zusammenfassung kann man sich vorstellen, dass solch ein Ereignis recht selten ist. Vor allem kommen solche kräftigen Stürme im Oktober vor - zu der Zeit, wo das Meerwasser noch warm genug ist, um kräftige Wirbelstürme entstehen zu lassen und zu erhalten (denn dieses stellt ja die Energiequelle für den Hurrikan dar). Zum anderen aber können die ersten Kaltluftvorstöße von arktischen Regionen weit genug nach Süden vorankommen, damit sie auf das tropische System treffen.

Geheimnis des "perfekten Sturms"
Dieser Kaltluftvorstoß ist es erst, der dem schwächelnden ex-Tropensturm noch einmal den nötigen Energieschub verpasst. In diesem Fall ist es vor allem der große Temperaturunterschied - wobei wir auch gleich beim Hauptunterschied eines tropischen Tiefs und eines Tiefs unserer Breiten sind: Bei Tropischen Stürmen fehlt eine Front, also Bereiche, in denen die Temperatur nicht nur vom unterschiedlichen Druck abhängt, sondern bei denen auch andere Luftmassen beteiligt sind. Druck- und Temperaturunterschiede sind also in unseren Breiten die Antriebe, feucht-warme Luft, die bis in große Höhen aufsteigt, der Antrieb bei tropischen Systemen. In diesem Fall verstärken sich diese beiden Effekte, der "perfekte Sturm" ist geboren.

Bis Halloween Abschwächung
Aktuell beeinflusst die Kaltfront bereits noch-Hurrikan "Sandy" an seiner Westflanke, womit der Übergang von einem tropischen Wirbelsturm zu einem außertropischen Tief begonnen hat. Der hohe Energievorrat, der in Form von Feuchtigkeit in "Sandy" transportiert wird, kommt also zusätzlich in Wallung. Im Rückblick (Abb. 6) erkennt man, wie "Sandy" in den letzten Stunden Kontakt mit diesem "Trog" kalter Luft aufgenommen hat. Durch das Hoch im Norden wird es dabei immer mehr vom Atlantik weg nach Westen auf die Küsten zugedrängt. Auf dem Weg ins Landesinnere wird es auf seiner kalten Seite in den Höhenlagen der Appalachen noch für einiges an Neuschnee sorgen (Abb. 7), bevor es sich im Laufe des Mittwochs dann spürbar abschwächen wird.