Milde Ostsee

Am fehlenden Ostsee-Eis zeigt sich der milde Winter, vor allem im Vergleich zu den Vorjahren

Seit Wochen ziehen Tiefs auf einer sehr nördlichen Zugbahn über Europa hinweg und bringen so milde Meeresluft zu uns. Dies ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiten Teilen Mittel- und Nordeuropas zu bemerken. Ein Indikator für die Mitteltemperatur des Winters ist das Eis der Ostsee.

Dabei zeigt sich gegenüber den langjährigen Mittelwerten des Eises in der Ostsee ein deutliches Defizit. Dort, wo im Bottnischen Meerbusen im Normalfall mehrere Zentimeter Eis anzutreffen sind, sind viele Regionen nicht einmal zugefroren. Dieses ist sehr gut in Abb. 1 zu sehen, im Vergleich der aktuellen Situation zu den Durchschnittswerten vom Finnischen Meteorologischen Institut. Noch deutlicher wird dieser Unterschied, wenn wir die Eisbedeckung von vor einem Jahr hinzuziehen (Abb. 2). Zu Anfang des vergangenen Jahres 2011 türmte sich auf Rügen das Packeis bis zu fünf Meter hoch, wie wir an dieser Zeitraffer-Aufnahme deutlich sehen:

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Die Eisbedeckung der Ostsee wird gerne als Messgröße für einen Eiswinter herangezogen, da der Salzgehalt ihres Wassers nicht so hoch ist. Daher friert sie wesentlich schneller zu als die Nordsee. Doch blicken wir in den außergewöhnlich kalten Winter 2009/2010, so finden wir selbst Norderney komplett von Packeis umgeben. Die links stehenden Bilder sandte uns damals Eilbertus Stürenburg am 31.01.2010 zu.

Quantitative Erfassung des Ostsee-Eises
Zunächst ist die Eisbedeckung der Ostsee ein für die Klimaforschung wichtiger Indikator für das Temperaturniveau des Winters. Mittlerweile wird dabei nicht mehr nur die Dauer der Vereisung registriert, sondern auch die Fläche und Eisdicke berücksichtigt.

Dies geschieht beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie seit 1989 mithilfe der flächenbezogenen Eisvolumensumme. Das Ergebnis ist in Abb. 6 zu sehen. Die Kälteperioden des letzten Frühwinters und des vorletzten Winters sind dort deutlich zu erkennen. Den letzten markanten Eiswinter gab es an der deutschen Ostsee Mitte der 90er Jahre.

Einfluss auf das zukünftige Wetter?
Die übernormale Wassertemperatur der Ostsee (Abb. 3) könnte bei entsprechenden Kaltluftvorstößen, die besonders ab kommender Woche wahrscheinlicher werden, durchaus noch zu einem (lokalen) Faktor werden. Bisher war es oft so, dass die noch milde Ostsee die Luft polaren Ursprungs so sehr "anwärmte", dass der Schnee auf seinem Weg in den Osten Deutschlands kaum noch eine Chance hatte. Warmes Ostseewasser kann aber auch gegenteiligen Effekt haben. Das Stichwort lautet hier: Ostsee-Zyklone (Baltic cyclone). Dabei kann sich bei Vorstößen arktischer Kaltluft über dem milden Ostseewasser ein sehr kleinräumiges, aber intensives Tief bilden.

Diese kleinen Tiefdruckwirbel haben in der Vergangenheit schon für einige weiße Überraschungen in Norddeutschland gesorgt. Normalerweise treten diese seltenen Tiefdruckwirbel bevorzugt im Frühwinter auf, sind bei der aktuellen Ostseeeis-Bedeckung aber auch jetzt noch möglich.