Frühjahrs-Hochwasser?

Nach dem schneereichen Winter 1946/1947 gab es die Oderflutkatastrophe. Droht uns Ähnliches im Jahr 2011?

So viel Schnee wie teils seit 100 Jahren oder überhaupt noch nie seit Aufzeichnungsbeginn liegt derzeit in Deutschland. Und nach leichter Milderung folgt spätestens im Laufe der nächsten Woche neuer nach. Doch was passiert, wenn irgendwann Tauwetter einsetzt? Wir denken zurück an die Oderflutkatastrophe 1947...

Zunächst nur leichtes Tauen
Doch ist es noch sehr früh, um sich über mögliche Folgen den Kopf zu zerbrechen. Zwar steigt die Temperatur jetzt von der Nordsee her an, und wie wir gestern berichteten, muss man auch mit Eisregen rechnen. Jedoch werden diese Plusgrade noch kein weit verbreitetes Tauwetter einleiten, sondern schon zum Wochenwechsel sinken die Temperaturen von Osten her wieder.

Aktuell extrem viel Schnee
Schauen wir uns die momentane Situation an: um 6 Uhr am 30.12.2010 lagen in Deutschland zwischen 3 cm Schnee in München und 62 cm in Gera. Dies sind nur die Werte für die tiefen Lagen, auf dem Brocken etwa liegen bereits 160 cm. Dabei gilt es zu bedenken, dass wir gerade erst am Ende des ersten Wintermonats stehen, und dass im Normalfall der meiste Schnee erst im Februar auftritt.

Ob dies wirklich der Fall sein wird, wird die Zeit zeigen. Die Langfristprognose und auch die Ensembleprognose schließt eine nachhaltige Milderung in den nächsten Wochen jedoch nahezu aus. Der Winter geht also weiter, und auch die Niederschlags-, in diesem Fall: Schneefallneigung, bleibt hoch.

Irgendwann, spätestens im Frühling, wird es also so weit sein, dass die ganzen Schneemassen wegtauen. Dies kann mit Glück über einen längeren Zeitraum hinweg geschehen. Oft ist es aber so, dass Tiefausläufer mit südwestlicher Strömung und Regen den Winter beenden. Und dann muss ganz schnell ganz viel Tauwasser abtransportiert werden. Was nach derartigen Wintern geschehen kann, zeigt uns das Beispiel der Oderflutkatastrophe 1947.

Erinnerungen an den Winter 1946/1947
Der Vergleich mit diesem Winter bietet sich deswegen an, weil wir es auch hier mit einem langen, kalten (Abb. 3) und schneereichen Winter zu tun hatten. Bis in den März hinein lag an der Wetterstation Potsdam an mehreren Tagen noch eine Schneedecke von 20 Zentimetern, wie Abb. 4 zeigt. Dabei begann dieser Winter sogar etwas später als der jetzige: Der erste Schnee fiel in Potsdam am 26.12.1946, der letzte am 17.03.1947.

Im März begann dann die Schneeschmelze von Süden her, die in der noch mit Folgen des Krieges kämpfenden Oderregion zu einer bis dahin nie erlebten Katastrophe führte. Das Eis auf dem Fluss begann dabei in der Nacht zum 22. März 1947, sich bei Kietz (Küstrin) zu versetzen. Es türmten sich also Eisschollen übereinander und stauten das heranrückende Wasser weiter an.

20.000 Menschen obdachlos
Kurz danach wurde der Oderdeich bei Reitwein an zwei Stellen überflutet. Die über die Eisschollen fließenden Wassermassen sorgten dabei dafür, dass der Deich weiter abgetragen wurde, sodass sich die Schadensstelle in kürzester Zeit von 100 auf 1000 Meter verlängerte. Da durch die Begradigung der Oder diese an der höchsten Stelle des Bruchs zu fließen gezwungen war, strömte sie nun über den Deich hinweg entlang des natürlichen Gefälles in die Ortschaften. Zwei Flutwellen sorgten zwischen Manschnow und Wriezen für enorme Überflutungen. Die Deichkrone wurde auf einer Länge von 300 Metern und einer Tiefe von einem Meter letztendlich zerstört. Das Hochwasser erreichte dabei sogar das mehrere Kilometer entfernte Bad Freienwalde. Mehr als 20.000 Menschen verloren damals ihre Heimat.

Reagiert wurde durch Sprengungen und durch Einsatz eines Eisbrechers, der stromaufwärts ab Stettin für eine Entlastung sorgen sollte. Sogar Bomber der Roten Armee flogen über die Oder hinweg und versuchten, die Eisversetzungen durch Bombenabwürfe aufzulösen, was letztlich misslang. Erst am 24. März löste sich die Versetzung, sodass das Wasser die Deichkrone nicht mehr so leicht überspülen konnte.

Droht eine Flutkatastrophe im Jahr 2011?
Ob uns eine ähnliche Katastrophe droht wie im Frühjahr 1947 kann derzeit niemand sagen. Dafür müsste die Frage beantwortet werden, wie lange noch der Winter anhält. Viel wichtiger ist noch, auf welche Art sich eventuelles Tauwetter durchsetzen wird. Gibt es mehrere kurze Perioden vorübergehender Plusgrade so wie in den kommenden Tagen, so steht sicherlich nichts Großes zu befürchten.

Sollte sich die Wetterlage jedoch irgendwann vollständig umstellen, so wie es häufiger der Fall ist, so sollte man sich frühzeitig auf mögliche Folgen vorbereiten, wie uns die Oderflutkatastrophe 1947 deutlich signalisiert. Dies zeigt auch, wie wichtig es für den Katastrophenschutz ist, Änderungen der Wetterlagen im Auge zu behalten und so früh und so sicher wie möglich zu erkennen.