Extremes Schneechaos

Auf der Südseite der Alpen fällt so viel Neuschnee, dass Österreich und der Schweiz dramatische Folgen drohen...

Die Befürchtung, die schon am vergangenen Freitag an dieser Stelle vor einem Schneechaos ausgesprochen wurde, scheint sich in dramatischer Form zu bestätigen. Seit Mittwoch schneit es nun besonders auf der Südseite der Alpen,  und auch heute und bis zum morgigen Tag kommen enorme Neuschneemengen hinzu. In allen Alpenländern, aber auch im norditalienischen Flachland werden massive Unwetterwarnungen ausgesprochen.

Verursacher ist das Tief Tine, das am 09.12.08 getauft wurde und über das nördliche Mittelmeer weiter nach Italien zieht. Die Zugrichtung und die Lage des Tiefs allgemein sind dabei geradezu ideal für ergiebige Dauerniederschläge.

Tief Tine wird kräftiger
So befindet sich Tief Tine auf der Vorderseite eines engen Kaltlufvorstoßes (Abb. 3 und 4). Ohne weiter auf die Physik einzugehen bedeutet dies, dass es durch diese Lage quasi "am Leben erhalten" bleibt und sich auf seinem Weg über die Apenninhalbinsel sogar noch weiter verstärken kann, wie man am tiefsten Luftdruck in Abb. 5 sieht.

Brisante Kombination
In Bodennähe befindet sich dabei noch die schwerere kalte Luft (Abb. 7). Mit südlicher bis südöstlicher Strömung bringt Tief Tine nun in der Höhe die feucht-warme Mittelmeerluft (Abb. 8). Da diese aber leichter ist, wird sie gezwungen, sich über die kältere zu schieben. Sie wird gehoben (Abb. 9), wodurch Niederschläge entstehen. Als Zusatzeffekt steigt die Luft dann noch an den Hängen der Alpen auf. Hier kommen also gleich mehrere Effekte zusammen, die für extremen Dauerschneefall sorgen.

Ein weiteres verschärfendes Element ist die Vorwitterung. Denn über Schneemangel kann man sich in dieser Saison bisher nicht beklagen (siehe die Abb. 1 und 2). Nun fielen sogar am Lago Maggiore im Tessin (Schweiz) am Mittwoch 10 cm Neuschnee, in den Tessiner Bergen 40 cm, und bis Freitag sollen noch 40 bis 80 cm hinzukommen. Auch im schweizerischen Mittelland schneite es bereits beträchtlich.

Noch dramatischer sieht die Lage in Österreich, genauer in Kärnten und Osttirol aus. Besonders in Kärnten fielen gestern 5 bis 10 cm Schnee pro Stunde. Für die höher gelegenen Täler wie dem Lesachtal, Pustertal oder dem Defereggental werden noch einmal 50 cm Neuschnee erwartet, auf den Bergen zusätzlich über 1 m Neuschnee. Die Schneehöhen von der vergangenen Nacht finden Sie in Abb. 10.

Hohe Lawinengefahr
Dadurch steigt die Lawinengefahr abrupt an, die Warndienste gehen davon aus, dass in diesen Regionen durchaus im Laufe des heutigen Tages auf die Lawinenwarnstufe 4 (von 5) erhöht wird. Erinnerungen an die Lawinenkatastrophe von Galtür (1999) werden wach. Zudem muss befürchtet werden, dass wieder einige Täler von der Außenwelt abgeschnitten werden, und auch Stromausfälle sowie Störungen im Bahn- und Busverkehr sind sehr gut möglich.

Schneekettenpflicht
Auf den Straßen wurde es schon gestern schwierig. Auf Teilen der österreichischen Südautobahn A2 und der Tauernautobahn A10 herrschte nach Angaben des ORF Schneekettenpflicht für LKW, aber auch für PKW werden sie dringend angeraten. Besser sei es, bis heute Vormittag ganz auf Fahrten zu verzichten, soweit dies möglich ist, dann macht sich die wärmere Luft durch ein Ansteigen der Schneefallgrenze vorübergehend bemerkbar, bereits heute Abend sinkt sie aber wieder bis in teils tiefe Lagen.

Unwetter in Südeuropa
Auch in anderen Ländern Südeuropas gibt es Probleme: durch die kräftige südöstliche Strömung von der Adria kommend rechnet Venedig mit einem  starken Hochwasser, der Mailänder Flughafen wurde zeitweise wegen Schneefalls geschlossen. Auch in den französischen Alpen gelten Schneewarnungen, und die Lawinengefahr erstreckt sich sogar bis in die Pyrenäen.

 

Bilderhinweis:
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