Stürmische Zeiten?

Tief IRMELA hat eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Werden solche Sturmtiefs wirklich häufiger?

Spätestens seit der Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts im letzten Jahr, geistert in der Medienwelt und mittlerweile auch in der Politik der Begriff Klimawandel fast wie ein Schreckensgespenst herum. Teilweise wird sogar von einer drohenden Klimakatastrophe gesprochen, die zum großen Teil Mensch-gemacht sein soll. Aufgrund ansteigender Globaltemperatur sind nach Aussage vieler in den Medien präsenter Klimawissenschaftler künftig auch mehr Stürme zu erwarten. Doch ist dieser angeblich kausale Trend wirklich zu beobachten?

Mit dieser Frage haben sich unlängst Wissenschaftler des Deutschen Wetterdienstes beschäftigt und ihre Ergebnisse nun veröffentlicht. Hierbei wurden sämtliche Luftdruckdaten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1878 ausgewertet. Der Luftdruck selbst, dessen Gradient bekanntlich direkt proportional zur Windgeschwindigkeit ist, liefert dabei objektivere Werte als die direkt gemessenen Winddaten, denn er unterliegt keiner Beeinflussung z.B. durch veränderte Bebauung. Das Resultat dieser Studie mag in Zeiten, wo ansonsten sehr häufig apokalyptische Klimaszenarien dargestellt werden, überraschend klingen, denn die Forschergruppe hat keinen Trend vermehrter Sturmaktivität in Mitteleuropa feststellen können. Stattdessen gab es in alternierender Abfolge immer wieder Phasen höherer und schwächerer Windaktivität. Mehr dazu ist im Artikel des Hamburger Abendblatts zu finden.

 

In den letzten fünf Tagen durfte Mitteleuropa allerdings eine erstaunliche Sturmtiefentwicklung erleben, die in vielerlei Hinsicht eher ungewöhnlich verlief. Normalerweise ist der Nordatlantik die Quelle für Zyklogenese (Entstehung = Genese einer Zyklone = Tiefdruckgebiet). Damit einhergehend erreichen die meisten Sturm- und Orkantiefs im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte dann auch über dem Wasser die tiefsten Luftdruckwerte, die stärksten Luftdruckgradienten und damit auch die höchsten Windgeschwindigkeiten. Wie gesagt, das gilt normalerweise. Doch das spannende am Wetter in den mittleren Breiten ist sein Facettenreichtum, denn auch vom Standardfall gibt es teils erstaunliche Abweichungen. Daher bietet es sich an, die "Lebensgeschichte" von Sturmtief IRMELA noch einmal zu reproduzieren.

Blickt man auf die heute Bodendruckanalyse (Abbildung 1), so findet man über dem Finnischen Meerbusen immer noch eine recht stattliche Zyklone mit ca. 995 hPa Kerndruck, die Deutschland mit einer nördlichen Strömung und winterlichen Verhältnissen versorgt. Doch der Reihe nach, denn IRMELA tauchte erstmals am Freitag, den 21.11. als Frontenwelle über der Nordsee auf (Abbildung 2). Allerdings verrät bereits der Blick auf die zugehörige 500 hPa-Geopotentialkarte (Abbildung 3), welch enormes Entwicklungspotential vorhanden war. Als Hauptantrieb für Zyklogenese fungiert dabei die Höhenströmung. Hierbei befindet sich IRMELA auf der linken diffluenten Ausströmseite eines kräftigen Jetstreaks (Starkwindband), auf der alle dynamischen "Zutaten" zur Entstehung eines Tiefs vorhanden sind.

Auf den Abbildungen 4 bis 11 ist der weitere "Werdegang" von IRMELA ersichtlich, der sich unglaublich rasant vollzieht, denn auch in der Folgezeit bleibt der dynamische Antrieb nicht nur erhalten, sondern verstärkt sich sogar noch weiter. Als Ergebnis dieser Strömungskonstellation beobachtet man schließlich eine Abnahme des Luftdruckes am Boden. Bei einem Luftdruckfall von mehr als 24 hPa/Tag sprechen die Meteorologen von einer rapiden Zyklogenese, die in diesem Fall aufgetreten war. Den Höhepunkt der Entwicklung erreichte IRMELA in der Nacht zum 24.11. mit einem Kerndruck von unter 950 hPa (Abbildung 7). Solch ein tiefer Luftdruckwert in dieser Region ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass sowohl die Bodenreibung als auch die Zugbahn des Tiefs nach Norden einer Zyklogenese aus physikalischen Gründen sogar noch entgegenwirken. Den zyklolytischen (Abschwächung des Tiefs) Effekt der Bodenreibung wird man in den nächsten Stunden dann aber sehr eindrucksvoll bei IRMELA beobachten können, denn so rasch wie das Tief entstanden war, so schnell wird es nun auch wieder verschwinden.